Von Herbert Fromme, Köln, Jenny Genger, Hamburg, und Birgit Jennen, Brüssel Die Entscheidung, ob die Lufthansa an die Bundesregierung eine Prämie für vorübergehend übernommenen Versicherungsschutz zahlen muss, bleibt zur Zeit in den bürokratischen Mühlen stecken. Die EU beharrt darauf, dass alle EU-Länder einschließlich Deutschland nach dem 25. Oktober eine Mindestprämie verlangen müssen. Die Bundesregierung will keine Gebühren von deutschen Fluggesellschaften fordern, solange nicht sichergestellt ist, dass auch andere Fluggesellschaften in der EU zur Kasse gebeten werden.
Ein Sprecher der Verkehrskommissarin Loyola de Palacio erklärte gestern „jedes Mitgliedsland muss die gleiche Mindestprämie für die Haftungsgarantie verlangen.“ Erfüllt ein EU-Land diese Auflage nicht, müsse es mit einem formellen Beihilfeverfahren rechnen. Die EU-Kommission ist jedoch bereit, der Bundesregierung eine Schonfrist zu gewähren. Erst im Januar will de Palacio darüber entscheiden, ob die Haftungsgarantien vom Oktober mit dem EU-Recht übereinstimmen.
Die Verwirrung über die Prämienzahlung war aufgekommen, nachdem Bundeskanzler Gerhard Schröder am Montag bei einem Besuch der Lufthansa verkündet hatte, dass die Bundesregierung von den deutschen Fluggesellschaften keine Gebühren für die Haftungsgarantien verlangen würde, die sie für Folgeschäden bei Krieg und Terror übernommen hat. Diese Botschaft war so übereinstimmend in der Öffentlichkeit und bei der Lufthansa angekommen. „Wir haben das Kanzlerwort“, hieß es bei der Lufthansa, nachdem sich am nächsten Tag in der EU Widerstand gegen dieses Versprechen regte.
Daraufhin bemühte sich die Bundesregierung, nicht den Anschein eines Dissenses mit der EU aufkommen zu lassen. Dem Kanzler sei es bei seiner Äußerung um gleiche Wettbewerbsbedingungen gegangen, teilten Regierungssprecher mit. Ein Sprecher im Bundesverkehrsministerium, Michael Zirpel, erklärte:“Wir halten uns an die Vorgaben der EU.“ Doch „nachdem andere Länder ihre Fluggesellschaften von der Prämienzahlung befreit haben, sind wir nachgezogen“. Schwierigkeiten mit der Bundesregierung weist auch de Palacio derzeit noch zurück. Berlin habe die staatliche Haftungsübernahme mit entsprechender Prämienregelung bereits angemeldet. Eine Prämie müsse allerdings auf jeden Fall verlangt werden, um die Marktbedingungen wiederherzustellen.
Wilhelm Zeller, Vorstandschef der Hannover Rück, sagte am Dienstagabend, der private Versicherungsmarkt stelle schon lange wieder Deckungen für Terrorrisiken zur Verfügung. Terrorschäden bis 50 Mio. $ seien über die normale Luftfahrthaftpflichtversicherung abgedeckt. An einem Programm, das darüber hinaus in zwei Tranchen Schäden bis zu 1 Mrd. $ absichert, sei die Hannover Rück beteiligt – an der ersten Tranche für Schäden zwischen 50 und 150 Mio. $ mit elf Prozent, an der zweiten von 150 Mio. $ bis 1 Mrd. $ mit sieben Prozent. „Natürlich haben die Airlines diesen Versicherungsschutz gerne kostenlos von den Regierungen“, sagte Zeller. Die Lufthansa erhebe unter anderem mit Verweis auf die Versicherer Sicherheitszuschläge von 8 $, müsse aber für die Terrordeckungen nichts zahlen. Die private Deckung würde zwischen 2 und 3 $ pro Passagier kosten, werde aber in Europa wegen der Regierungshilfe nicht nachgefragt, sagte Zeller.
Ralf Oelßner, Chef der Lufthansa-Versicherungsabteilung sagte, die privat angebotene Deckung sei in mehrfacher Hinsicht ungenügend. „Sie reicht nur bis zu 1 Mrd. $, das ist zu wenig“, sagte Oelßner. Die Haftung der Bundesregierung decke Schäden bis 2 Mrd. $ ab. Außerdem sei der private Schutz auf die Flugzeughaftung begrenzt, gebe also keine Terrordeckung für andere Aktivitäten der Luftfahrtunternehmen. „Wenn ein Tankwagenfahrer bei einer Betankungsgesellschaft, an der wir beteiligt sind, vier Bugräder eines Jumbos abfährt, ist das nicht versichert.“ Schließlich sei die Deckung auf einen Gesamtschaden von 1 Mrd. $ pro Jahr beschränkt. „Da stehen Sie nach einem großen Schaden den Rest des Jahres ohne Deckung da“, sagte Oelßner.
Versprechen
Am Montag war Bundeskanzler Gerhard Schröder bei einer Betriebsversammlung der Lufthansa in Frankfurt aufgetreten. Dabei sorgte er für eine Überraschung: Entgegen früheren Aussagen erklärte er, dass die Bundesregierung von den deutschen Fluggesellschaften keine Gebühren verlangt für die vorübergehende Übernahme des Versicherungsschutzes von Flugzeugen bei Folgeschäden von Krieg und Terror.
Widerspruch
EU-Verkehrskommissarin Loyola de Palacio fordert dagegen, dass alle EU-Regierungen einschließlich Deutschland von den Fluggesellschaften eine Prämie für die staatlichen Haftungsgarantien verlangen müssen. Sie beruft sich dabei auf eine Absprache der EU-Regierungen vom November. Damals hatte die EU vereinbart, dass ab dem 25. Oktober eine Mindestprämie für die staatliche Versicherungsgarantie übernommen werden muss.
Regelung
Brüssel erlaubt der Bundesregierung eine Schonfrist. Entsprechend der Forderung des Bundeskanzlers soll voraussichtlich schon im Januar eine Lösung des Problems gefunden werden. Brüssel will bis dahin entscheiden, ob es ein formelles Verfahren gegen die EU-Länder einleitet, die die Prämienverpflichtung nicht umgesetzt haben.
Quelle: Financial Times Deutschland
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