Long View
Von Herbert Fromme Kunden deutscher Lebensversicherer haben in den letzten Wochen unangenehme Post bekommen. In mehr oder weniger gleich lautenden Briefen teilten die Unternehmen mit, dass sie die Überschussbeteiligung der Sparguthaben für 2002 angesichts der Kapitalmarktlage senken mussten. Allerdings sei die Verzinsung der Lebensversicherten-Guthaben immer noch sehr hoch, verglichen etwa mit Sparbüchern oder Aktienfonds, behaupten sie.
Viele Kunden sind enttäuscht. Das sollten sie nicht sein. Im Gegenteil: Selbst die gesenkten Überschussbeteiligungen sind noch deutlich zu hoch. Eine weitere Reduzierung ist dringend nötig, um die langfristige Gesundheit der Lebensversicherer (und damit der Policen) zu sichern.
Viele Versicherer sträuben sich dagegen. Hohe Überschussbeteiligungen sind ein Hauptargument im zunehmend heftiger werdenden Konkurrenzkampf, wer nur fünf Prozent gutschreibt, hat wenig Chancen auf Neugeschäfte.
Der Fachinformationsdienst map-report hat nachgerechnet: Im Schnitt senkten die Unternehmen die Verzinsung der Sparguthaben ihrer Kunden für 2002 von 7,16 Prozent auf 6,23 Prozent. Die Bandbreite ist groß: Die Gothaer-Tochter Asstel schreibt unverändert 7,45 Prozent gut, Marktführer Allianz reduzierte um 0,7 Punkte auf 6,80 Prozent. Schlusslichter sind die HDI-Tochter Aspecta (minus 1,8 Punkte) und die Hannoversche Leben (minus 1,75 Punkte), die beide fünf Prozent geben.
Der Effekt kann erheblich sein. Sollte die niedrigere Verzinsung anhalten, geht die Rendite eines Zwölf-Jahres-Vertrags von 6,13 Prozent auf 5,20 Prozent zurück. Wer als 30-jähriger Mann eine Rentenversicherung mit Laufzeit 30 Jahre abgeschlossen hat, würde bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung statt 100 330 Euro nur 82 053 Euro bekommen – eine Kürzung um 18 Prozent.
Die Verzinsung schreiben die Versicherer ihren Kunden auf den Sparanteil gut, nicht auf die gesamte eingezahlte Prämie. Denn der Kunde kauft gleichzeitig Risikoschutz für den Todesfall oder die Invalidität und muss dem Versicherer erhebliche Kosten erstatten, vor allem Provisionen.
Diese Prämienbestandteile sind weg und fließen nicht ins Sparguthaben. Trotzdem haben die Unternehmen Recht: Die Verzinsung ist verglichen mit anderen Anlageformen relativ hoch. Wenn die Police über mindestens zwölf Jahre läuft, ist der Ertrag außerdem steuerfrei.
Zurzeit wird die Gewinnbeteiligung aber künstlich hoch gehalten. Die Allianz Leben weist für 2001 eine Durchschnittsverzinsung ihrer Kapitalanlagen von 5,4 Prozent aus, nach 6,5 Prozent im Vorjahr. Wenn das Unternehmen mit 6,8 Prozent deutlich mehr auszahlt als es mit den Kapitalanlagen verdient, regiert das Prinzip Hoffnung.
Bisher gab es zwei Quellen, aus denen die Assekuranz trotz der aktuell niedrigen Zinsen höhere Gewinne für ihre Kunden schöpfen konnte: Einmal haben viele Gesellschaften noch langfristige festverzinsliche Anlagen, die vor Jahren zu deutlich höheren Zinsen erworben wurden. Diese Papiere laufen nach und nach aus.
Zweitens haben sie durch Aktienverkäufe Bewertungsreserven (früher stille Reserven genannt) aufgelöst, die sie im Börsenboom der 90er aufbauen konnten.
Das ist jetzt kaum noch möglich. Selbst die Marktführer haben nur noch geringe Bewertungsreserven, bei anderen sind inzwischen sogar „stille Lasten“ in den Büchern – die Marktwerte ihrer Aktienportefeuilles liegen deutlich unter den Buchwerten.
In Japan sind bisher sieben Lebensversicherer Konkurs gegangen, weil sie die Zusagen an ihre Kunden an den Kapitalmärkten nicht verdienen konnten. Diese Gefahr ist in Deutschland zwar geringer: Gesetzlich garantiert sind nur 3,25 Prozent, die deutlich höheren Zusagen der einzelnen Versicherer werden von Jahr zu Jahr gemacht. Ausgeschlossen ist das Risiko aber nicht.
Die Branche macht sich Sorgen, dass sie bei einer Senkung der Überschussbeteiligung für 2003 im harten Konkurrenzkampf Marktanteile verlieren könnte. Kommt die Senkung aber nicht, könnten einzelne Gesellschaften sehr bald in erhebliche Bedrängnis geraten – und das wäre langfristig noch sehr viel schlimmer.
Herbert Fromme
ist Versicherungskorrespondent der Financial Times Deutschland.
Zitat:
„Selbst die reduzierten Gewinnbeteiligungen der Lebensversicherer sind noch deutlich zu hoch“.
Quelle: Financial Times Deutschland
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