Kleinindustrie und Gewerbe müssen deutlich höhere Prämien bezahlen · Massive Kritik der Kunden
Von Herbert Fromme, Köln Die Allianz bereitet eine breit angelegte Preiserhöhungskampagne für das Gewerbe und kleinere Industrieunternehmen vor. Dabei will der Marktführer die Prämien auch bei nicht durch Schäden belasteten Verträgen auf mindestens 75 Prozent der so genannten Bedarfsprämie anheben. Wer einen Schaden gemeldet hat, muss mindestens 100 Prozent zahlen sowie auf weitere „individuelle Maßnahmen“ gefasst sein.
Diese Vorgaben macht der Allianz-Vorstand in einem internen Maßnahmenkatalog für 780 Vertriebsleute. Die Bedarfsprämie ergibt sich aus der durchschnittlichen Schadenbelastung plus Kosten. Im vergangenen Jahr hatte die Allianz in erster Linie die Preise für die Großindustrie angehoben. Das sind Unternehmen mit mehr als 500 Mio. Euro Umsatz.
Nun sind rund zwei Millionen Kunden des Konzerns im Firmen-und Gewerbegeschäft betroffen. Auf sie kommen Preiserhöhungen zwischen 25 und 100 Prozent zu, wie ein Makler sagte. Ausweichmöglichkeiten gibt es kaum: Die wichtigsten Wettbewerber kündigten ebenfalls Erhöhungen an.
Kunden und Makler sind weniger darüber empört, dass die Allianz die Preise überhaupt erhöht. Mit 75 Prozent der Bedarfsprämie liegt die Allianz immer noch unter den Ausgaben – weshalb sie auch für 2003 weitere Preiserhöhungen plant. Es ist vielmehr die allgemeine drastische Preisanhebung nach dem Gießkannenprinzip, die die Kunden stört.
Bestimmte Branchen will der Konzern überhaupt nicht mehr versichern. „Gesperrte Risiken unterliegen einem Zeichnungsverbot, sie sind zu kündigen“, heißt es lakonisch in dem Maßnahmenkatalog. Dazu gehören Geflügelfarmen, Recycling-Anlagen, Schaumstoffhersteller oder Sondermülldeponien.
Allerdings weicht die Allianz den eigentlich verkündeten Ausschluss aller Terrorschäden auf. Risiken mit einer Versicherungssumme bis 10 Mio. Euro deckt die Allianz Terror wie bisher automatisch mit ab. Bei Risiken von 10 bis 25 Mio. Euro verlangt das Unternehmen einen Aufschlag von 0,15 Promille der Versicherungssumme. Kunden mit Risiken über 25 Mio. Euro verweist die Allianz an den neuen Spezialversicherer Extremus.
Walter Tesarczyk, Vorstand der Allianz Versicherung, verteidigt die drastischen Maßnahmen. „Wir haben in den letzten Jahren in diesem Geschäft sehr viel Geld verloren“, sagte Tesarczyk. „Es stellt sich heraus, dass die kleineren Industrieunternehmen und das Gewerbe den Versicherern marktweit 2002 höhere Verluste bringen als die Großindustrie.“
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft schätzt für 2002 marktweit eine kombinierte Schaden-und Kostenquote von 106 Prozent für das kleine Industriegeschäft – für jeden Prämien-Euro gehen 1,06 Euro für Schäden und Kosten aus dem Haus. Die Quote des großindustriellen Geschäfts dürfte 2002 darunter liegen, glaubt Tesarczyk.
Kritik kommt von Ralf Oelßner, Versicherungschef der Lufthansa und Vorsitzender des Deutschen Versicherungsschutzverbandes, der die Interessen industrieller und gewerblicher Kunden bündelt. „Noch vor wenigen Wochen hieß es bei der Allianz, dass sie die Art und Weise ihres Vorgehens nicht immer als optimal betrachtet. Da ist dieser Maßnahmenkatalog jetzt schwer verdaulich“, sagte Oelßner.
Die Sanierung führt die Allianz mit rabiaten Methoden durch. „Folgerichtiges Handeln im Bestandsgeschäft“ verlangt der Vorstand in seiner Anweisung. „Kunde stimmt nicht zu: dennoch an vereinbarter Linie festhalten, mit der Konsequenz Kündigung“, heißt es unmissverständlich. Das bedeute, so Oelßner, dass die Allianz gar nicht zu Verhandlungen bereit sei. „Die Kunden müssen sämtlichen Preisvorstellungen folgen. Eigentlich sind Gespräche überflüssig.“
Bei Risiken, an denen sich die Allianz unter Führung eines anderen Versicherers nur beteiligt, geht der Konzern mit gleicher Konsequenz vor. „Ist kein ausreichendes Sanierungsergebnis des führenden Versicherers feststellbar, ist die Beteiligung aufzukündigen.“ Auch das sieht Oelßner kritisch. „So will die Allianz den Anbietermarkt disziplinieren.“
Für viele Kunden werde es schwer werden, bei anderen Versicherern Deckung zu finden, räumt Tesarczyk ein. Gerling, Axa, HDI und andere Versicherer seien zu ähnlichen Sanierungen gezwungen. „Es gibt eine zunehmend breite Tendenz dazu im Markt. Deshalb wird es enger für die Kunden.“ Diese müssten jedoch einsehen, dass sie noch 1995 für den Versicherungsschutz das Doppelte der Preise von 2001 gezahlt haben. „Seitdem haben sie den weichen Markt genutzt, das sei ihnen gegönnt.“ Jetzt aber hätten die Versicherer Druck von den Rückversicherern, der Kapitalanlageseite und von den Aktionären.
Zitat:
„Wir haben hier in den letzten Jahren viel Geld verloren“ – Allianz-Vorstand Walter Tesarczyk
Bild(er):
Flagge zeigen: Die Allianz gibt in der Branche die Richtung an. Der Mittelstand muss deshalb für Risiken künftig tiefer in die Tasche greifen – ddp/Daniel Samanns; vario-presss.
Quelle: Financial Times Deutschland
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