Wenn Lloyd’s seine Kapazität nicht genügend ausdehnen kann, geht seine Bedeutung weiter zurück
Von Herbert Fromme, Köln Der Versicherungsmarkt Lloyd’s läuft Gefahr, in der gegenwärtigen „harten“ Marktphase seine Kapazität zu wenig steigern zu können, weil er mit Verlusten aus früheren Jahren kämpft. Damit würde der Londoner Markt weltweit an Marktanteil und Bedeutung einbüßen, glaubt die Swiss Re.
Der Londoner Markt sei immer noch der wichtigste internationale Transaktionsplatz für Versicherungsrisiken in der Transport-, Großindustrie-und Rückversicherung, heißt es in einer Untersuchung des zweitgrößten Rückversicherers.
Nach Jahren der Stagnation erhöhten die Marktteilnehmer bei Lloyd’s ihre Kapazität 2001 um zehn Prozent auf 12,2 Mrd. £ – das heißt, sie waren bereit, Risiken bis zu dieser Höhe zu übernehmen. In Folge des 11. September und der stark gestiegenen Preise für Rückversicherung ist die Kapazität 2002 erneut um ein Zehntel gestiegen und wird Ende des Jahres 13 Mrd. £ erreichen. Bei einer Eigenkapitalquote von 50 Prozent heißt das: Die betroffenen Unternehmen haben seit dem 11. September für den Anstieg der Kapazität um 1 Mrd. £ nur rund 0,5 Mrd. £ (0,7 Mrd. $) frisches Geld zur Verfügung gestellt. „Die weltweite Versicherungswirtschaft hat dagegen seit September bereits über 22 Mrd. $ zusätzliches Eigenkapital aufgenommen“, argumentiert die Swiss Re. Weitere 9 Mrd. $ sind angekündigt. Mit einem Anstieg der Kapazität von nur fünf bis sieben Prozent trotz des harten Marktes laufe Lloyd’s wieder Gefahr, zu wenig ausbauen zu können. Entscheidend wird 2003: „Dann muss sich zeigen, ob Lloyd’s auf dem höheren Niveau weiterfahren kann, solange noch die hohen Verluste der Zeichnungsjahre 1999 und 2000 zu verdauen sind.“
Als Handelsplatz für die großen Risiken ist London von den Zyklen der globalen Assekuranz besonders betroffen. In den letzten Jahren haben die bis 2000 anhaltende Erosion der Preise sowie der Terroranschlag auf das World Trade Center für hohe Verluste bei Londoner Versicherern und bei Lloyd’s-Syndikaten gesorgt. „Auch in der langfristigen Perspektive weisen die Londoner Versicherer eine ungenügende Perspektive aus“, monieren die Experten der Swiss Re. Die Eigenkapitalrendite der Gesellschaften liege im langjährigen Durchschnitt unter sieben Prozent. Das sei angesichts der hohen Schwankungen im Markt ungenügend. Und: Der Versicherungsmarkt Lloyd’s machte in den letzten 20 Jahren mehr Verluste als Gewinne. Allerdings beziehen sich die Lloyd’s-Resultate nur auf die eigentliche Versicherungstechnik (Schäden und Kosten verglichen mit Prämieneinnahmen). Die Anlageergebnisse der Lloyd’s-Investoren gehen in die Betrachtung nicht ein.
Auf den ersten Blick scheint London nur eine geringe Bedeutung zu haben. Nur etwa drei Prozent des weltweit eingenommenen Prämienvolumens in der Schaden-und Unfallversicherung entfallen auf den Markt. Beim Großindustriegeschäft dürften es 10 bis 15 Prozent sein, schätzt die Swiss Re.
Eine herausragende Rolle hat London in der Luftfahrtversicherung mit knapp 40 Prozent. Außerdem ist es der wichtigste Markt für Schiffsversicherungen sowie Öl-und Gasplattformen.
Anfang der 90er Jahre begann eine starke Konsolidierungsbewegung. Die Zahl der aktiven Versicherer halbierte sich seither auf rund 70. Noch größer war die Bereinigung bei Lloyd’s: Die Zahl der Syndikate fiel von 400 auf 86.
Hintergrund ist die Existenzkrise von Lloyd’s Anfang der 90er Jahre, als der Markt durch hohe Verluste vor allem aus den USA in die Negativschlagzeilen geriet – denn in den 80er Jahren hatte er unvorsichtig neue Mitglieder aufgenommen, darunter auch viele, die sich das risikoreiche Geschäft eigentlich nicht leisten konnten.
Bis dahin konnten nur private Investoren, die so genannten „Names“, bei Lloyd’s Kapazität zur Verfügung stellen. Sie haften unbeschränkt. Seitdem können auch Unternehmen mit beschränkt haftendem Gesellschaftskapital am Markt teilnehmen. Nur rund zwölf Prozent der Kapazität entfallen auf die „Traditionalisten“, also die Names, während die börsennotierten Lloyd’s-Unternehmen 38 Prozent, andere integrierte Lloyd’s-Firmen vier Prozent und die ausländischen Versicherer 46 Prozent ausmachen. Vertreten sind unter anderem die Gesellschaften ACE, Münchener Rück, Gerling Globale Rück, General Cologne Re, Berkshire Hathaway, St Paul und AIG.
Zitat:
Walter Tesarczyk
Bild(er):
Das Gebäude von Lloyd’s of London beherbergt den einzigartigen Versicherungsmarkt – modus/Lajos Jardai.
Quelle: Financial Times Deutschland
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