Von Ilse Schlingensiepen, Köln, und Philipp Jaklin, Berlin Mehrere Sozialdemokraten stellen die Pläne von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt zur Verschärfung der Versicherungspflicht in den gesetzlichen Krankenkassen öffentlich in Frage. „Meine Einschätzung ist, dass es keine Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze geben wird, sondern nur eine moderate Anpassung“, sagte Bayerns SPD-Landeschef Wolfgang Hoderlein gestern vor Versicherungsvermittlern in Köln.
„Unsere Aufgabe ist, zunächst die Effizienz im Gesundheitswesen zu steigern, bevor wir eine neue Baustelle eröffnen“, sagte der SPD-Gesundheitspolitiker Wolfgang Wodarg. Eine Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze entlaste die gesetzliche Krankenversicherung ohnehin nur um höchstens 0,6 Prozentpunkte, sagte Wodarg der FTD.
Die Versicherungspflichtgrenze legt das Monatseinkommen fest, ab dem Beschäftigte Mitglied einer gesetzlichen Kasse sein müssen. Für Neumitglieder hatte Schmidt ursprünglich geplant, die Grenze nach der Bundestagswahl von jetzt 3375 auf 4500 Euro anzuheben – um möglichst viele Junge, gut Verdienende von einem Wechsel in die private Krankenversicherung abzuhalten.
Würde Schmidt nach einem Wahlsieg der SPD am Sonntag von ihrem Vorhaben Abstand nehmen, müssten die gesetzlichen Kassen weiter mit der Abwanderung lukrativer – weil gut zahlender und gesunder – Versicherter kämpfen. Profitieren würden dagegen die privaten Kassen, die bei einer höheren Grenze auf diese Mitglieder verzichten und um Einnahmen bangen müssten. Die Privaten hatten sich mit Anzeigenkampagnen gegen die Pläne zur Wehr gesetzt.
Ministerin Schmidt zeigte sich gestern diskussionsbereit. Zwar bleibe es bei dem im Wahlprogramm formulierten Ziel, die Versicherungspflichtgrenze anzuheben. Allerdings stehe sie einem „intelligenten“ Alternativmodell aufgeschlossen gegenüber, sagte die Ministerin. Schmidt zufolge wollen die privaten Krankenkassen dazu einen Vorschlag machen. „Ein solcher Vorschlag liegt noch nicht vor, deshalb hat sich für mich auch nichts geändert.“
Offensichtlich wäre auch nach einem SPD-Wahlsieg in keinem Fall mit einer raschen Ausweitung der Versicherungspflicht zu rechnen. „Sehr vieles steht dem im Weg, etwa die Frage der Bundesratsmehrheiten“, sagte Wodarg. Eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums bezeichnete zumindest den Zeitpunkt einer Anpassung als diskutabel: „Über das Datum kann man reden.“
Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Regina Schmidt-Zadel, trat dem Eindruck von Uneinigkeit der Partei in der Frage entgegen. „Es gibt überhaupt keine Diskussion darüber, dass das umgesetzt wird“, sagte Schmidt-Zadel Sie rechne damit, dass eine Ausweitung der Versicherungspflicht unter einer SPD-geführten Bundesregierung in der nächsten Legislaturperiode stattfinden werde.
Einiges wird jedoch von der Koalitionsbildung abhängen. Sollte Kanzler Gerhard Schröder im Fall des Wahlsiegs mit der FDP zusammengehen, sei der Plan wohl gestorben, hieß es gestern aus der SPD-Fraktion.
Quelle: Financial Times Deutschland
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