Verluste durch Aktienkrise erschweren die Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen
Von Herbert Fromme, Köln Die Versicherungsbranche führt zurzeit intensive Gespräche mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) über die Art und Weise, wie Versicherer bei den schwierigen Kapitalmarktverhältnissen den gesetzlichen Anforderungen an ihre Kapitalkraft nachkommen müssen.
Die Versicherer sind optimistisch, dass die Aufsicht wie bisher auch die Bilanzwerte von Kapitalanlagen und nicht die teilweise kräftig gesunkenen Marktwerte zur Grundlage der Prüfung dafür macht, ob ein Unternehmen die staatlichen Anforderungen erfüllt oder nicht.
Hinter dieser Frage verbirgt sich ein ganz handfestes Problem: Sollte die BAFin auf dem so genannten strengen Niederstwertprinzip bei der Abdeckung der Ansprüche der Versicherungskunden bestehen, müssten viele Versicherer angesichts der gegenwärtigen Aktienkrise die Mittel für den so genannten Deckungsstock erheblich verstärken. Der Grund dafür liegt in dem Auseinanderklaffen zwischen höheren Bilanzwerten und niedrigeren Marktwerten in den Anlagen mancher Gesellschaften.
Nach den rapiden Kursverlusten an den Aktienmärkten in der Folge des Terroranschlags vom 11. September änderte der Bundestag das Handelsgesetzbuch. Nach dem Paragrafen 341 b sind Versicherer nicht mehr verpflichtet, bei Wertverlust von Aktien und anderen Papieren zum nächsten Bilanzstichtag Abschreibungen vorzunehmen, wenn sie die Wertminderung als voraussichtlich vorübergehend einschätzen. Deshalb zeigen viele Unternehmen Aktienbestände mit einem Wert in den Bilanzen, der deutlich über dem aktuell zu erzielenden Marktpreis liegt. Die Differenzen – die so genannten „stillen Lasten“ – sind bei manchen Unternehmen höher als das Eigenkapital.
Versicherer sind nach Paragraf 66 des Versicherungsaufsichtsgesetzes gesetzlich verpflichtet, für die Ansprüche ihrer Kunden oder von Geschädigten (beispielsweise bei der Haftpflichtversicherung) einen Deckungsstock zu führen, der jederzeit der Summe dieser Ansprüche entspricht. Die BAFin muss die Einhaltung der Vorschrift überwachen und kann die Versicherer zwingen, Zuführungen zum Deckungsstock vorzunehmen.
Für die Aufsicht stellt sich die Frage, wie Aktien dabei gerechnet werden – zu ihrem Marktwert oder zu dem (höheren) Buchwert, wenn das Unternehmen die Möglichkeiten des Paragrafen 341 b genutzt hat. Dann könnte die Bundesanstalt nämlich die Unternehmen zwingen, den Deckungsstock aus anderen Mitteln zu stärken. „Eine Zuführung kann insbesondere unter Berücksichtigung der niedrigeren Zeitwerte der Vermögensgegenstände des Deckungsstocks geboten sein“, heißt es ausdrücklich im Gesetz.
Die BAFin will sich zu den laufenden Gesprächen nicht äußern, auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) bleibt eher verschlossen. „Wir glauben, dass auch künftig die Bewertung nach dem Handelsgesetzbuch die Grundlage sein wird“, sagte Hans-Jürgen Säglitz vom GDV.
Der Optimismus ist wohl gerechtfertigt. Denn BAFin-Präsident Jochen Sanio hat erst vor wenigen Wochen in Gesprächen mit KPMG-Vorstand Gerd Geib die neuen, milden Regeln der Wirtschaftsprüfer für die Abschreibung von Aktien in der Bilanzierung der Versicherer ausdrücklich gebilligt.
Außerdem knüpft die Assekuranz mit ihrer Auffanggesellschaft (Arbeitstitel „Protector“) für Lebensversicherer, die in Schwierigkeiten kommen, ein wichtiges Sicherheitsnetz. Weil Protector im Notfall Bestände übernimmt und den Kunden kein Schaden entstehen soll, kann die BAFin die Deckungsstock-Regeln großzügiger und damit auch risikoträchtiger auslegen. Denn nichts wäre schlimmer für Sanio als ein Versicherungskonkurs, der die Kunden einer Gesellschaft erheblich schädigt.
Zitat:
„Auch künftig wird die Handelsbilanz entscheidend sein“ – Hans-Jürgen Säglitz, GDV.
Quelle: Financial Times Deutschland
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