Von Herbert Fromme, Hamburg Für den Großteil des Schadens, den das Öl aus dem sinkenden Tanker „Prestige“ anrichtet, muss nach den Erfahrungen der letzten großen Ölunfälle der International Oil Pollution Compensation Fund (IOPC-Fonds) in London aufkommen. Die Versicherer des 26 Jahre alten Tankers dürften mit deutlich weniger als 50 Mio. $ belastet werden.
Der IOPC-Fonds beruht auf einer internationalen Konvention, der inzwischen 82 Staaten beigetreten sind. Die Mittel stammen aus einer Zwangsabgabe für Ölfirmen. Jedes Unternehmen, das in einem Mitgliedsstaat der Konvention jährlich mehr als 150 000 Tonnen Rohöl oder Schweröl importiert, muss nach einem genau festgelegten Schlüssel Beiträge an den Fonds leisten, der von London aus verwaltet wird. Mehr als 400 Ölfirmen sind Zwangsmitglieder des IOPC-Fonds.
Schiffe haben mindestens zwei Arten von Versicherung: Die Kasko-Versicherung deckt den Schiffswert selbst ab. Bei dem 26 Jahre alten Tanker „Prestige“ dürfte er sich im sehr niedrigen Millionenbereich bewegen. Zusätzlich ist die Ladung versichert. Darüber hinaus sind die Reeder verpflichtet, eine Haftpflichtversicherung für Schäden an Dritten abzuschließen. In der Regel geschieht das bei einem der Schifffahrtsversicherungsvereine, den so genannten P&I-Clubs. P&I steht für Protection and Indemnity. Der Tanker „Prestige“ ist bei der angesehenen London Steamship Mutual versichert.
Bei Schäden, die Öl aus Tankern an der Umwelt anrichtet, gilt auf Grund internationaler Vereinbarungen ein zweistufiges Haftungsmodell: In der ersten Stufe zahlt der Versicherer des Reeders – aber nur innerhalb festgelegter Höchstgrenzen je nach Schiffsgröße. Das Maximum beträgt 79 Mio. $. Ist der Schaden höher, muss der IOPC-Fonds aufkommen. Die Obergrenze für die Gesamtentschädigung (Versicherer plus IOPC) beträgt 180 Mio. $.
Für den Tanker „Erika“, der am 12. Dezember 1999 mit 30 000 Tonnen Schweröl vor der bretonischen Küste auseinander brach, zahlte der P&I-Club Steamship Mutual insgesamt 11 Mio. $. Der IOPC-Fonds stellte weitere 145 Mio. $ zur Verfügung. Nach der von der „Erika“ angerichteten Ölpest machten bis Mitte Oktober 2002 6333 Privatpersonen und Unternehmen Ansprüche geltend. Versicherer und IOPC-Fonds richteten ein besonderes Schadenbüro für Anspruchsteller in Lorient in Frankreich ein.
Für die „Prestige“, die 70 000 Tonnen Öl – also mehr als doppelt so viel wie die Erika – geladen hatte, dürfte der vom Versicherer London Steamship zu zahlende Schaden deutlich über 20 Mio. $ liegen. Dazu kommen der Kasko-Schaden und die Ladung.
Quelle: Financial Times Deutschland
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