„Calvann“ kostet dreistelligen Millionenbetrag “ Forderungen nach Pflichtdeckung für Flutschäden nehmen zu
Von Herbert Fromme, Köln Die deutsche Versicherungswirtschaft erwartet Schadenzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe aus dem Sturmtief „Calvann“, das in der Nacht zum Freitag über Süddeutschland, Österreich, der Schweiz und Frankreich wütete. Dagegen werden die Überschwemmungen der letzten Tage finanziell für die Versicherer kaum Auswirkungen haben: Die Schäden sind größtenteils nicht versichert.
Dennoch stellt die Wetterkatastrophe die Assekuranz vor Herausforderungen. Der Druck von Kunden und Politikern nimmt zu, eine bessere Lösung für Flutdeckungen zu finden.
Der Sturm „Calvann“ könnte nach Ansicht der Versicherer die Größenordnung der Stürme „Lothar“ vom Dezember 1999 und „Jeanett“ aus dem Oktober 2002 erreichen. „,Calvann‘ ist in etwa mit,Jeanett‘ vergleichbar, allerdings weiter südlich“, sagte Gerhard Berz, Chefmeteorologe der Münchener Rück. Der Sturm habe im Tal Spitzengeschwindigkeiten bis 140 Kilometer pro Stunde erreicht, auf Berghöhen bis 200.
Zur erwarteten Schadenhöhe wollte Berz nicht Stellung nehmen. Bei jedem Sturm kämen Zehntausende von Einzelschäden zusammen – aus Gebäude, Auto-und Haftpflichtpolicen. Allerdings geben die Schadenhöhen der Vergangenheit einen Anhaltspunkt: „Lothar“ kostete nach heutigem Stand allein in Deutschland 650 Mio. $ an versicherten Schäden, „Jeanett“ wird die Assekuranz nach Berechnungen der Münchener Rück insgesamt 1,5 Mrd. $ kosten, in Deutschland voraussichtlich mehr als „Lothar“.
Das Hochwasser der letzten Tage sei nicht vergleichbar mit den Sommerfluten, die 18,5 Mrd. $ volkswirtschaftliche und 3 Mrd. $ versicherte Schäden anrichteten, sagte Berz. „Es handelt sich um deutlich kleinflächigere Ereignisse. Außerdem sind die Schäden viel stärker im Westen Deutschlands konzentriert.“
Dort aber gibt es die DDR-Hausratpolicen nicht, die bei der Sommerflut zu hohen Zahlungen vor allem durch die Allianz führten. Die Allianz hatte die Staatliche Versicherung der DDR übernommen und damit deren Vertragsbestand, bei dem alte Hausratpolicen Flutschäden decken.
Auch wenn die neue Flut deutlich billiger wird als die des Sommers 2002 – ein politisches Problem bleibt. Die meisten Haushalte und Gewerbebetriebe haben keine Deckung gegen Flutschäden, Risiken in der Nähe von Flüssen sind kaum versicherbar. Die Branche hat dazu die Bundesrepublik in drei Risikoklassen eingeteilt – je nach Wiederkehrwahrscheinlichkeit.
Nach Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) besitzen nur rund zehn Prozent aller Hausratversicherten eine Elementarschadendeckung, bei den Kunden mit Gebäudeversicherung nur drei Prozent.
Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber forderte gestern die Einführung einer Pflichtversicherung für Elementarschäden. Eine Arbeitsgruppe des GDV berät zurzeit über solche Lösungen. Noch gibt es in der Branche erheblichen Widerstand: Unter anderem wird argumentiert, dass eine Zwangsdeckung im Markt schwer durchzusetzen und für die Masse der Kunden ungerecht sei. Außerdem könne sie unvorsichtiges Verhalten – zum Beispiel die Ansiedlung von Gewerbebetrieben in Flussnähe – fördern.
Der Rückversicherer Swiss Re hatte im Oktober ein Modell vorgestellt, das diesen Bedenken Rechnung trägt. Danach sollen alle Kunden, die eine Wohngebäude-oder Hausratpolice abschließen, automatisch eine Naturgefahrendeckung erhalten. Der zusätzliche Preis wird nach Risiko gestaffelt und reicht bei Hausratpolicen mit 60 000 Euro Summe von 8Euro bis 48 Euro pro Jahr, bei Gebäudepolicen für Einfamilienhäuser mit 250 000 Euro Wert von 15Euro bis 150 Euro.
Im Schadenfall müssen die Versicherten zwischen 0,2 und 2 Prozent der versicherten Summe selbst tragen. Wer aber regelmäßig – also öfter als alle zehn Jahre – Rhein, Elbe oder Donau im Wohnzimmer begegnet, findet auch nach diesem Modell keinen Schutz. Das sei kein unvorhersehbares Ereignis und deshalb nicht versicherbar, so die Swiss Re.
Bild(er):
Die Überreste des Bazar-Zeltes eines Weihnachtsmarktes auf der Münchener Theresienwiese. Heftige Windböen hatten das Zelt zerstört – Jörg Koch/ ddp.
Quelle: Financial Times Deutschland
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