Börsenbaisse verbrennt Assekuranz-Kapital Berater Oliver, Wyman & Co. sieht dramatische Probleme für Versicherer “ Rating-Agentur Fitch ist optimistischer.
Von Rolf Lebert, Frankfurt und Herbert Fromme, Köln Die in Deutschland häufig anzutreffende Kombination aus schwach kapitalisierten Schaden-und Unfallversicherern und Not leidenden Lebensversicherern kann für viele Gruppen in den nächsten Jahren katastrophale Auswirkungen haben. Das ergibt sich aus einer Studie der Beraterfirma Oliver, Wyman & Company.
„Jede sechste der von uns analysierten Versicherungsgruppen hat sowohl in der Lebens-als auch in der Sachversicherung ein Kapitalisierungsproblem“, sagte Alexander Quack-Grobecker, Direktor bei Oliver Wyman, gestern in Frankfurt.
„Sollten sich die Kapitalmärkte nicht bald wieder verbessern oder eine rettende Hand von außen kommen, werden sich viele Unternehmen in den nächsten Jahren sehr schwer tun.“ Oliver, Wyman & Co. stützte sich bei der Untersuchung auf Daten der 90 größten deutschen Schaden-und Unfallversicherer.
Die vom Gesetz verlangte Solvabilitätsquote – das Verhältnis von Eigenmitteln zum gezeichneten Versicherungsgeschäft – tendiere dazu, die tatsächliche Kapitalisierung der Versicherungsunternehmen zu überschätzen, sagte Quack-Grobecker. Die ökonomische Solvabilität der deutschen Sachversicherer habe sich in den letzten drei Jahren dramatisch verschlechtert. Alle untersuchten Versicherer erfüllten zwar die aufsichtsrechtlichen Anforderungen, der Umfang der Erfüllung variiert dabei zwischen 100 und 600 Prozent.
Wenn jedoch die Risiken, die in den Kapitalanlagen schlummern, zusätzlich zu den versicherten Risiken in Betracht gezogen werden, ergibt sich ein ganz anderes Bild. Die so errechnete ökonomische Solvabilität des Marktes hat sich von einem „AAA“-Äquivalent vor drei Jahren in ein sehr knappes „A“-Äquivalent verschlechtert.
Rund 30 Prozent der Versicherer liegen unter einer dem Rating „BBB“ entsprechenden Zielsolvabilität. Einige Gesellschaften mit hohen aufsichtsrechtlichen Solvabilitätsquoten von über 300 Prozent entsprechen bei einer risikoadjustierten Betrachtung einer Zielsolvabilität von „BBB“ oder schlechter.
Auf Ebene der einzelnen Gesellschaften wird dieser Trend noch deutlicher: Vergleicht man die risikoadjustierte Ertragskraft der einzelnen Versicherer, weisen 58 Prozent der Gesellschaften eine negative Performance auf. Bei nicht risikoadjustierter Bewertung sind es nur 16 Prozent.
Die Risiken aus der Kapitalanlage, insbesondere dem Asset Liability Management, binden im Marktdurchschnitt rund 60 Prozent des gesamten Risikokapitalbedarfs und damit mit Abstand die meisten Eigenmittel der Branche – deutlich mehr als die eigentlichen Versicherungsrisiken mit 21 Prozent.
Nicht ganz so negativ wie die Berater von Oliver, Wyman & Co. beurteilten die Analysten der Rating-Agentur Fitch gestern die Situation. Auch sie glauben, dass viele Versicherer zumindest im Jahr 2003 Probleme damit haben werden, ihre Solvabilitätsquoten zu halten.
„Die Erneuerung der Kapitalbasis wird lange dauern“, heißt es in ihrer neuesten Analyse zum europäischen Versicherungsmarkt. Es werde viel Zeit vergehen, bis wieder die Gewinne erzielt werden, die Mitte der 90er Jahre erreicht wurden.
Vor allem für die Schaden-und Unfallversicherer ist Fitch dennoch optimistisch. „Trotz der Belastungen hat die Branche richtig auf die Herausforderungen reagiert“, heißt es. Bessere Risikoauswahl und Preiserhöhungskampagnen seien erfolgreich umgesetzt worden, außerdem achte die Branche strikt auf ihre Kosten. Deshalb werde es wohl keine großflächigen Änderungen der Ratings europäischer Schaden-und Unfallversicherer durch die Agenturen geben.
In der Lebensversicherung sieht auch Fitch die Lage düsterer. Vor allem für die deutschen und britischen Lebensversicherungsmärkte erwarten die Fitch-Analysten noch mehr Druck auf Kapitalbasis und damit Solvabilität, vor allem wegen der starken Einbrüche der Aktienmärkte. Außerdem gehe der Umsatz stark zurück. Deshalb werde es zu niedrigeren Ratings kommen, wenn die Aktienmärkte nicht dramatisch zulegen.
Zitat:
„Jede sechste Gruppe hat ein Kapitalisierungs-problem“ – Alexander Quack-Grobecker
Bild(er):
Die seit rund drei Jahren anhaltende Talfahrt der Aktienmärkte zehrt am Kapital der Versicherer. Quasi als Feuerlöscher empfiehlt die Ratingagentur Fitch bessere Risikoauswahl und Preiserhöhungen. Einige Gesellschaften haben diese Schritte bereits eingeleitet – STOCK4B/Kranefeld – Sagel.
Quelle: Financial Times Deutschland
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