Notleidender Lebensversicherer findet starken Partner · Kernproblem Vertriebsstruktur · Branche vor Neuordnung
Von Herbert Fromme, Hannover Die VHV Vereinigte Haftpflichtversicherung in Hannover und der angeschlagene Lebensversicherer Hannoversche Leben haben gestern, wie erwartet, ihren Zusammenschluss bekannt gegeben. Die neue Gruppe heißt VHV Vereinigte Hannoversche Versicherungen. Vorstandsvorsitzender wird der jetzige VHV-Chef Uwe Reuter. Anton Wittl, der seit Oktober die Hannoversche Leben führt, wird den Fusionsprozess mitleiten und dann in den Aufsichtsrat einer VHV-Tochter wechseln. In der neuen Gruppe spielt er keine operative Rolle.
VHV und Hannoversche sind Vorreiter: Experten erwarten eine ganze Reihe von Zusammenschlüssen in der deutschen Assekuranz. Zahlreiche Versicherer leiden unter ernsthaften Bilanzproblemen wegen der Börsenschwäche und eklatanter Fehler in der Anlagepolitik. Jetzt suchen sie eine starke Schulter.
Bisher mangelt es allerdings an Interessenten – die VHV ist eine Ausnahme. Der fünftgrößte Autoversicherer und Spezialist für Bauversicherung sucht schon länger einen Partner. Gespräche mit der Signal Iduna scheiterten, die schon beschlossene Fusion mit der Inter wurde abgesagt.
Die Hannoversche Leben hatte jahrelang mit einer aggressiven Marketing-und Ausschüttungsstrategie hohe Wachstumsraten erreicht, geriet aber in der Kapitalmarktkrise schwer ins Schlingern. Auf Druck der Finanzaufsicht BaFin musste Vorstandschef Eckart von Uckermann im September 2002 gehen und wurde durch Wittl ersetzt, der sich sofort auf Partnersuche machte.
Reuter betonte, es handele sich um eine echte Fusion. Die Vermutung, ein ertragstarker Sachversicherer fange einen angeschlagenen Lebensversicherer auf, sei falsch. „Der Zusammenschluss erfolgt nicht im Rahmen einer Sanierung.“ Der Lebensversicherer hat jedoch ein Loch in der Bilanz: Die stillen Lasten, also aufgeschobene Abschreibungen, belaufen sich auf 380 Mio.Euro.
Wittl sagte, die Hannoversche Leben wäre damit auch allein fertig geworden, hätte aber deutlich länger gebraucht. Für weiteres Wachstum sei die Beurteilung durch Rating-Agenturen wichtig. Dafür brauche man Kapitalstärke.
Die Fusion, die keine Arbeitsplätze kosten soll, geht in mehreren Schritten vor sich. Zunächst gründet die Hannoversche Leben, die in der Rechtsform eines Versicherungsvereins arbeitet, eine Aktiengesellschaft als Tochter. Auf die neue Hannoversche Leben AG werden der Versicherungsbestand sowie das Eigenkapital von 107 Mio. Euro übertragen. Dann wird der so entleerte Versicherungsverein mit dem Verein VHV fusioniert. Das Ganze soll rückwirkend zum 1. Januar 2003 in Kraft treten.
Im Laufe des Jahres wird die VHV das Eigenkapital der neu gegründeten Hannoverschen Leben AG noch einmal deutlich stärken. Die Summe wollten Reuter und Wittl nicht nennen. „Das hängt auch vom Verlauf des Kapitalmarkts ab“, sagte Reuter. Schätzungen, dass es sich um 50 Mio. bis 100 Mio. Euro handeln wird, widersprachen beide Manager nicht.
Die neue Gruppe besteht aus dem fusionierten Verein VHV Vereinigte Hannoversche als Obergesellschaft, die eine neue und bisher namenlose Zwischenholding zu 100 Prozent kontrolliert. An der Zwischenholding hängen die operativen Töchter und die Hannoverschen Leben AG. Die Obergesellschaft betreibt nur noch die Bauversicherung.
Das Kernproblem für das Management wird sein, die unterschiedlichen Vertriebsansätze unter einen Hut zu bringen. Die Hannoversche Leben verkauft 75 Prozent ihrer Policen direkt und nur etwa 25 Prozent über Makler. Die VHV hat dagegen überwiegend Makler als Vertriebspartner. Wenn mehr Lebenspolicen über Makler verkauft werden, würden wegen der Provisionszahlungen deutlich höhere Kostensätze folgen. Reuter sagte, er denke über die Einrichtung einer Lebens-Zweitmarke für das Maklergeschäft nach.
Quelle: Financial Times Deutschland
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