Wenn kleine Racker zu Randalierern werden, bekommen Eltern nicht nur pädagogische Probleme: Häufig weigert sich die Haftpflichtversicherung zu zahlen. Trotzdem ist es unverzichtbar, sich gegen Schadensfälle abzusichern
Eigentlich sollte es ein richtig schöner Nachmittag im Kreise der Familie werden. Gemeinsam mit den Eltern besuchte das Paar eine Vernissage. Die dreijährige Tochter spielte unterdessen auf dem gut einsehbaren Hof, auf dem der Großvater seinen neuen Jaguar abgestellt hatte. Beim Aufbruch stand die Kleine freudestrahlend vor den Erwachsenen. „Ich habe für den Opa ein Bild gemalt“, sagte sie und zeigte auf den Jaguar. Das Mädchen hatte den Wagen an den Türen mit einem Stein bearbeitet.
Die Erwachsenen waren fassungslos. Immerhin haben wir eine Familienhaftpflichtversicherung, dachten die Eltern des Kindes. Doch einige Tage später folgte der nächste Schock: Der Versicherer weigerte sich zu zahlen.
„Kinder können für Schäden, die sie anrichten, bis zum Alter von sieben Jahren nicht haftbar gemacht werden“, sagt Katrin Rüter de Escobar vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Im Straßenverkehr liegt die Grenze sogar bei zehn Jahren. „Die private Haftpflichtversicherung zahlt nur, wenn jemand an einem Schaden schuld ist“, erklärt sie. Da der Gesetzgeber Kinder bis zu einem Alter von sieben Jahren oder im Verkehr bis zehn Jahren als nicht schuldfähig ansieht, müssen die Haftpflichtversicherer auch nicht für die verursachten Schäden aufkommen.
Deshalb sollte aber niemand auf die Idee kommen, auf die Versicherung ganz zu verzichten. „Eine private Haftpflichtversicherung ist unbedingt notwendig“, sagt Elke Weidenbach von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Haushalte, in denen mehrere Personen leben, brauchen eine Police mit einer höheren Deckungssumme als Singles. Eltern sollten daran denken, was sie ihren Kindern möglicherweise antun, wenn sie nicht für einen ausreichenden Versicherungsschutz sorgen. Verursacht zum Beispiel ein Zwölfjähriger einen Unfall, bei dem Menschen dauerhafte Behinderungen davontragen, muss er unter Umständen sein Leben lang dafür zahlen. Größere vierbeinige Familienmitglieder müssen die Halter zusätzlich absichern. Die private Haftpflicht kommt für Katzen oder kleinere zahme Haustiere wie Hamster auf, aber nicht für Hunde oder Pferde.
Private Haftpflichtversicherungen sind relativ preiswert. Die billigsten Policen sind bei Selbstbehalten von 250 Euro schon ab 32 Euro im Jahr zu bekommen. „Die rechtliche Konstruktion einer privaten Haftpflichtversicherung läuft dem zuwider, was viele Eltern denken“, betont Weidenbach. Bei der Schadenmeldung an den Versicherer legen viele Mütter oder Väter großen Wert auf die Feststellung, dass sie auf den Nachwuchs gut aufgepasst haben und sie deshalb keine Verantwortung für das Geschehen trifft. Aber: Die Versicherung muss den von kleineren Kindern angerichteten Schaden nur regulieren, wenn die Eltern ihre Aufsichtspflicht vernachlässigt haben. Schon weil das immer passieren kann, ist die private Haftpflicht unentbehrlich.
Will der Großvater mit dem zerkratzten Jaguar nicht auf den Reparaturkosten sitzen bleiben, hat er nur eine Möglichkeit. Er muss Sohn und Schwiegertochter erfolgreich wegen Verletzung der Aufsichtspflicht verklagen. Dann würde die Haftpflicht einspringen. Solange Eltern mit kleinen Kindern ihrer Aufsichtspflicht genügen, zahlt die Versicherung nicht. Ein häufig vorkommender Fall: Eltern besuchen mit ihrem Kind im Vorschulalter Bekannte, und der Nachwuchs zerstört in Gegenwart der Erwachsenen einen wertvollen Gegenstand. „Die Eltern denken in so einem Fall meistens, halb so schlimm, wir sind ja versichert“, sagt GDV-Frau Rüter de Escobar. Bei der Kontaktaufnahme mit der Versicherung erleben sie dann eine böse Überraschung.
Die private Haftpflicht kommt auch nicht für Schäden auf, die sich Personen gegenseitig zufügen, die im selben Haushalt leben. Macht ein Achtjähriger die wertvolle Vase der bei den Eltern wohnenden Oma kaputt, zahlt die Haftpflicht nicht. Sie deckt den Schaden aber, wenn er mit einer Steinschleuder der in der Nachbarschaft lebenden Großmutter das Wohnzimmerfenster zerschlägt.
Bei Verheirateten kommt die private Haftpflicht überhaupt nicht für gegenseitige Schäden auf – auch wenn das Paar keine gemeinsame Wohnung und jeder eine eigene Haftpflichtpolice hat. „Ehepartner sind unabhängig davon, ob sie getrennt leben oder nicht, von der gegenseitigen Haftung ausgeschlossen“, sagt Rüter de Escobar.
Auch bei der Kfz-Haftpflicht gibt es Untiefen für Familien. Ist der Vater etwa aus finanziellen Gründen auch Halter des Autos seines Sohnes und die Wagen kollidieren, zahlt die Versicherung nicht. Das ist auch der Fall, wenn ein Mann beim Ausparken das Auto seiner Ehefrau rammt, mit der er keine Gütertrennung vereinbart hat. „Bei diesen Konstellationen fehlt der geschädigte Dritte“, sagt Sergio Di Sabatino vom Versicherer Signal Iduna. In beiden Fällen handele es sich um einen so genannten Eigenschaden, für den der Versicherer nicht aufkommen muss. Selbst wenn Mann und Frau jeweils eigene Versicherungspolicen besitzen, hat der Geschädigte nur bei Gütertrennung Anspruch auf Entschädigung.
Zitat:
„Kinder sind bis zum Alter von sieben Jahren nicht haftbar“ – Versicherungsexpertin Katrin Rüter de Escobar
Bild(er):
Ältere Sprösslinge sollten eine Steinschleuder nur in fremden Gärten benutzen. Im Schadensfall springt dann die Versicherung ein.
Quelle: Financial Times Deutschland
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