Höhere Preise und drastische Kostensenkung bringen Wende · Nordamerika-Chef John Phelan im FTD-Interview
Von Herbert Fromme, München Endlich einmal gute Nachrichten aus den USA für die Münchener Rück: Die Tochtergesellschaft American Re hat im ersten Quartal 2003 einen Gewinn von 220 Mio. $ erzielt. „Für das volle Jahr 2003 rechnen wir mit 550 Mio. $“, sagte Nordamerika-Chef John Phelan im Interview mit der FTD. Phelan ist Vorstandsvorsitzender der American Re und Mitglied im Konzernvorstand in München.
Ein Gewinn für 2003 wäre der erste seit 1998, als die American Re 226 Mio. $ auswies. In den vier Jahren seither waren die Ergebnisse niederschmetternd: 2002 betrug der Verlust 1,143 Mrd. $, im Jahr zuvor 849 Mio. $. Das Unternehmen – immerhin der zweitgrößte Rückversicherer in den USA – hatte zu wenig Geld für drohende Verluste aus Asbest-und Umweltschäden zurückgestellt und musste 2 Mrd. $ nachreservieren. Die Münchner Mutter musste wieder einmal aushelfen und 1,4 Mrd. $ einschießen. „Jetzt sind wir aber angemessen reserviert, das sagen auch externe Experten“, sagte Phelan.
Die Münchener Rück hatte American Re 1996 für 3,3 Mrd. $ gekauft, um im größten Rückversicherungsmarkt der Welt adäquat präsent zu sein. Bisher war die American Re aber vor allem ein teures Abenteuer.
Phelan wurde 2002 an die Spitze des US-Unternehmens gesetzt, nachdem der Münchner Konzern die Geduld mit dem amerikanischen Management verloren hatte. Der Ire arbeitet seit 30 Jahren für die Münchener Rück, davon 16 Jahre als Chef der erfolgreichen kanadischen Töchter. American Re habe wie die gesamte Branche schwere Fehler gemacht, sagt Phelan. Das Unternehmen habe verlustbringende Risiken angenommen und die Reserven nicht ausreichend gestärkt. Phelan bestreitet, dass frühere Manager absichtlich so vorgingen, um die aktuellen Jahresergebnisse zu schönen, von denen ihre Boni abhingen, und nimmt seine Ex-Kollegen in Schutz. „Ich bin überzeugt, dass so etwas nicht absichtlich gemacht wurde.“
Jetzt hat Phelan nicht nur die Spitze ausgetauscht. „Wir haben die gesamte Struktur geändert, mehr Kontrollebenen eingezogen und das Unternehmen auf langfristige Profitabilität ausgerichtet.“ Im vergangenen Jahr hat American Re die Zahl der Beschäftigten um 384 auf 1300 reduziert. „Unsere Verwaltungskosten gehen um 16 Prozent nach unten.“
Damit, so Phelan, sei das Unternehmen gut aufgestellt, um die momentan auszeichnete Verfassung des Marktes zu nutzen. Außerdem kommt dem US-Rückversicherer zugute, dass er im Gegensatz zur Muttergesellschaft nur sehr wenig Geld in Aktien angelegt hat – nie mehr als acht Prozent, verglichen mit 33 Prozent bei der Münchener Rück. „American Re hatte auch Abschreibungsbedarf, aber der war nicht sehr hoch“, sagte Phelan.
Der US-Chef weiß genau, dass ein Gewinn im Jahr 2003, wenn die Bedingungen für Rückversicherer ausgezeichnet sind, noch nicht den Durchbruch bedeutet. „Natürlich ist es leichter, in guten Zeiten schwarze Zahlen vorzulegen. Aber das reicht uns nicht. Wir wollen einen hohen Gewinn einfahren. Deshalb zielen wir auf eine Schaden-Kosten-Quote um die 95 Prozent der Beitragseinnahmen.“ Aber was passiert, wenn der Marktzyklus wieder zu sinkenden Preisen und damit härteren Zeiten führt? „Natürlich wird es auch einmal wieder schlechtere Zeiten geben. Da werden wir ganz klar entscheiden, welches Geschäft wir behalten und welches wir aufgeben.“ Damit könne die American Re auch über einen längeren Zeitraum im Zyklus gewinnbringend bleiben.
Die Gewinne stammen aus höheren Preisen – auf der Schadenseite sieht es dagegen unverändert schwierig aus. „Die USA sind und bleiben eine Gesellschaft, in der sehr leicht geklagt wird“, sagte Phelan. Dem Bestreben der Bush-Regierung, das Haftpflichtrecht zu ändern, gibt er wenig Chancen. „Eine grundlegende Änderung wird wohl nicht kommen. Nur in der Arzthaftpflicht erwarte ich Maßnahmen.“ Asbest-und Umweltschäden werden weiterhin eine große Rolle spielen. Das neue Phänomen, das wegen Schimmelpilzen in Wohnungen hohe Entschädigungen verlangt werden, bleibe wohl eine Randerscheinung.
Hohe Haftpflichtansprüche mit entsprechend teuren Ansprüchen gegen die Versicherer erwartet Phelan dagegen im Bereich der sexuellen Belästigung von Minderjährigen. „Betroffene, die in Tagesstätten oder bei den Pfadfindern von Erziehern belästigt wurden, stellen Ansprüche. Das ist versichert und wird teuer.“
An Zukäufe denkt Phelan nicht. „Wir haben eine starke Marktpräsenz und einen guten Ruf. Wir können aus eigener Kraft wachsen.“ Die Übernahme einzelner Geschäftsfelder anderer Rückversicherer könne aber interessant sein. „Wir haben uns einiges angesehen. Bisher hat mir nichts gefallen“, sagte Phelan.
Bild(er):
Der Ire John Phelan macht die American Re wieder profitabel – Guido Krzikowski (3).
Quelle: Financial Times Deutschland
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