Kleine Gesellschaften fühlen sich benachteiligt · Beschwerde bei der EU wegen Ungleichbehandlung erwogen
Von Herbert Fromme, Köln Mehrere kleine deutsche Lebensversicherer erwägen eine Beschwerde bei der EU-Kommission, um gegen die von der Bundesregierung geplante Beschränkung der Steuerentlastung für die Branche auf das Jahr 2003 vorzugehen. „Die Unternehmen, die Verluste aus Aktien sauber im Jahr 2002 abgeschrieben haben, werden benachteiligt“, sagte Peter Hanus, Chef der Neuen Leben in Hamburg. Er verlangt eine Rückwirkung mindestens bis Anfang 2002. Das würde nach Schätzungen des Finanzministeriums noch einmal einen Einnahmeausfall von rund 2 Mrd. Euro für Bund und Länder bringen. Die Änderung für 2003 allein schlägt schon mit mehr als 5 Mrd. Euro zu Buche.
Hanus hat beim Hamburger Versicherungsjuristen Manfred Werber ein Gutachten in Auftrag gegeben. Werbers vorläufiges Ergebnis: Es sei davon auszugehen, „dass die geplante Neuregelung in der jetzigen Fassung gegen das europäische Beihilferecht verstößt“. Damit könnte Brüssel das Gesetz kippen.
Ohne eine Rückwirkung bis 2002 erhielten Unternehmen, die ihre Verluste auf Aktienanlagen aus dem Vorjahr nach 2003 verschoben haben und damit „stille Lasten“ bildeten, einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil, sagte Hanus. Das seien vor allem größere Lebensversicherer. Er hat für sein Unternehmen eine Benachteiligung von bis zu 70 Mio. Euro errechnet, die vor allem die Kunden treffe. „Wir müssten unsere Überschussbeteiligung drastisch senken.“ Bisher verzinst die Neue Leben den Sparanteil der Prämie mit fünf Prozent. Sie wollte dies für 2004 ohnehin um 0,25 Punkte absenken. „Bleibt es aber bei dem jetzigen Gesetz, müssen wir auf vier Prozent.“
Manch großer Konkurrent mit hohen „stillen Lasten“ hat es da einfacher. Denn nach der von Finanzminister Eichel auf den Weg gebrachten und vom Bundestag verabschiedeten Änderung des Steuerrechts muss er keine Nachteile durch 2003 vorgenommene Abschreibungen auf Aktien befürchten. Das Halbeinkünfteverfahren, das für Lebensversicherer bei Aktienverlusten katastrophale Steuerfolgen hat, soll rückwirkend zum 1. Januar 2003 außer Kraft gesetzt werden. Für Abschreibungen, die Versicherer schon 2001 und 2002 vornahmen, gilt aber weiter das vor knapp drei Jahren eingeführte und für die Assekuranz negative Recht.
Das hat Eichel in seinem Gesetzentwurf sogar noch verschärft: Bisher waren die Versicherer und ihre Wirtschaftsprüfer der Ansicht, dass die Regeln nur für direkt gehaltene Aktien gelten, aber nicht für solche in Fonds. Das trifft nicht zu, so die Regierung. Ihr Gesetz enthält eine „redaktionelle Klarstellung“, die auch Aktien in Fonds einbezieht. Das heißt: Für 2001 und 2002 sind Steuernachzahlungen fällig.
Viel lieber als eine Entscheidung auf der EU-Ebene wäre es Hanus und seinen Mitstreitern, wenn das Gesetz noch im Bundesrat geändert würde. Das will auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in Berlin. „Steuersystematisch und sachlich ist die Beschränkung der Rückwirkung auf das Jahr 2003 falsch“, sagte GDV-Geschäftsführer Günter Bost. Er hofft auf Hilfe der CDU-Länder. Hamburgs Finanzsenator Wolfgang Peiner – bis 2001 Vorstandschef der Gothaer Versicherung – hat schon Unterstützung signalisiert.
Trotz des gemeinsamen Ziels kracht es ziemlich zwischen der Neuen Leben und anderen Lebensversicherern auf der einen und dem GDV auf der anderen Seite. „Der GDV möchte sich feiern lassen. Er betrachtet die Gesetzesänderung mit Rückwirkung ab Anfang 2003 als Teilerfolg“, sagte Hanus. „Es kann aber nicht richtig sein, dass ein Verband einer Lösung zustimmt, die 40 Prozent der Mitglieder schlechter stellt. Die Mitgliedschaft wird gespalten.“ Die Unternehmen mit den höchsten „stillen Lasten“ sind in der Tat Hamburg-Mannheimer und Victoria – beide im Münchener-Rück-Konzern -, Allianz und Axa.
Bost will von einer Spaltung des GDV nichts wissen. „Wir haben immer die Linie vertreten, dass es eine Rückwirkung ab 2001 geben muss.“ Der Verband mache aber doch nicht die Gesetze. „Ich bin zuversichtlich, dass sich die Vernunft im Bundesrat und im Vermittlungsausschuss durchsetzt.“ Sollte es nicht dazu kommen, prüfen mehrere Versicherer eine nachträgliche Änderung ihrer Bilanzen für 2001 und 2002, sagte Marlies Hirschberg-Tafel, Finanzvorstand beim Deutschen Ring. Sie findet es „schwer nachvollziehbar, dass solides kaufmännisches Verhalten durch eine höhere Steuerlast bestraft werden soll“.
Zitat:
„Wer 2002 sauber abgeschrieben hat, wird benachteiligt“ – Peter Hanus, Vorstandschef Neue Leben.
Quelle: Financial Times Deutschland
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