Versicherer können die Abschreibung von Altlasten aus der Aktienkrise auch noch in das Jahr 2004 verschieben. Für die fortdauernde Existenz solcher stillen Lasten haben Wirtschaftsprüfer und Finanzaufsicht BaFin aber jetzt enge Regeln aufgestellt, die sich deutlich von der großzügigen Handhabung für das Jahr 2002 unterscheiden.
Für einzelne Versicherer, die ihre Aktien Ende 2002 nach abenteuerlichen Analystenstimmen bewertet haben, könnte das zu einer Verschärfung führen. Für die meisten ändert sich aber wenig: Sie müssen 2003 hohe Summen abschreiben.
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hatte erneut für ein Durchschnittskursverfahren plädiert. Danach sollten ganze Aktienpakete auf der Grundlage von Durchschnittswerten der letzten drei Jahre und einer Einschätzung der Zukunftsaussichten bewertet werden. „Demgegenüber mussten wir in unseren Gesprächen mit der BaFin und den Wirtschaftsprüfern allerdings feststellen, dass unsere Vorschläge keine Zustimmung finden“, heißt es in einem Schreiben des GDV an seine Mitgliedsunternehmen, das der FTD vorliegt.
Stattdessen können Versicherer zwischen zwei Verfahren wählen, wenn sie einen vom Börsenkurs abweichenden Wert für ihre Aktien verwenden: Analystenschätzungen oder Ertragswertverfahren basierend auf den Earnings per Share. Für beides hat Marktführer KPMG enge Vorschriften aufgestellt, die mit anderen Wirtschaftsprüfern abgestimmt und von der BaFin gebilligt wurden. Die Aktien müssen nach diesen Regeln Ende 2003 mindestens auf einen Wert abgeschrieben werden, der einem Dax von 4100 Punkten entspricht.
Allein die Lebensversicherer haben 2001 bis 2003 rund 104 Mrd. Euro an der Börse verloren, davon waren Anfang 2003 mehr als 16 Mrd. Euro noch nicht verdaut. Ein Teil hat sich durch den jüngsten Börsenanstieg erledigt, aber Abschreibungsbedarf in Milliardenhöhe bleibt.
Früher mussten Versicherer Wertverluste bei Aktien in der nächsten Bilanz zeigen. Nach dem tiefen Fall der Kurse im Gefolge des 11. September 2001 änderte der Bundestag das Handelsgesetzbuch. Seitdem dürfen sie in der Hoffnung auf eine Erholung der Kurse Abschreibungen strecken und stille Lasten bilden. Abschreiben müssen sie dann, wenn der Wertverlust dauerhaft ist – also der Marktwert eines Papiers zwölf Monate lang im Durchschnitt um zehn Prozent oder über sechs Monate dauerhaft 20 Prozent unter dem Buchwert liegt. Die Versicherer können dann entweder bis auf den Marktwert abschreiben, oder den so genannten beizulegenden Wert verwenden. Für die Bilanzen 2002 erlaubten die Wirtschaftsprüfer einen beizulegenden Wert, der aus dem Jahresdurchschnittskurs der Aktie plus zehn Prozent gebildet wurde. Das entsprach etwa einem Dax von 4500 Zählern – obwohl dieser Index Ende 2002 bei nur 3200 stand.
Die BaFin ist offenbar nicht bereit, allzu hohe stille Lasten weiter zu tolerieren. „Die BaFin hat zu erkennen gegeben, dass sie – basierend auf den derzeitigen Gegebenheiten – Abweichungen des beizulegenden Wertes vom Börsenkurs von über zehn Prozent eingehend hinterfragen wird“, schreibt KPMG-Vorstand Gerd Geib in einem Memo an seine Prüfer.
Zitat:
„Unsere Vorschläge finden keine Zustimmung“ – GDV-Rundschreiben
Quelle: Financial Times Deutschland
Dieser Beitrag ist nur für Premium-Abonnenten vom Versicherungsmonitor persönlich bestimmt. Das Weiterleiten der Inhalte – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Bitte bedenken Sie: Mit einer von uns nicht autorisierten Weitergabe brechen Sie nicht nur das Gesetz, sondern sehr wahrscheinlich auch Compliance-Vorschriften Ihres Unternehmens.
Diskutieren Sie mit
Kommentare sind unseren Abonnenten vorbehalten. Bitte melden Sie sich an oder erwerben Sie hier ein Abo