Von Herbert Fromme, Patrick Jenkins und Thibaut Madelin, München Weltmarktführer Münchener Rück will in der gegenwärtigen Konsolidierungsphase des Marktes keine konkurrierenden Gesellschaften übernehmen. „Wir werden weder auf der Käuferseite noch auf der Verkäuferseite sein“, sagte der neue Konzernchef Nikolaus von Bomhard im Interview mit FTD, FT und Les Echos. Der 47-jährige von Bomhard übernimmt am 1. Januar die Aufgabe des Vorstandsvorsitzenden von Hans-Jürgen Schinzler, der in den Aufsichtsrat wechselt. „Wenn man die Größe der Münchener Rück erreicht hat, wächst man vor allem organisch“, sagte von Bomhard. Da gehe es nur um Nischen und Lücken, die geschlossen werden müssten. Dafür könne es gelegentlich die Übernahme eines Portfolios geben.
Das Rückversicherungsgeschäft verlaufe zur Zeit positiv. „Die Märkte bewegen sich seitwärts“, sagte von Bomhard. „In manchen Bereichen erzielen wir weitere Preiserhöhungen, das gilt zum Beispiel für große Teile des Haftpflichtgeschäfts. In anderen Gebieten gibt es nachgebende Preise. Das ist vor allem bei Teilen der Schaden-Rückversicherung der Fall, zum Beispiel den Deckungen gegen Naturkatastrophen.“ Von Bomhard glaubt, dass die Zeiten der sehr ausgeprägten Zyklen der Vergangenheit angehören. Sie waren durch Phasen dramatischer Preiserhöhungen gefolgt von ebenso heftigen Preisnachlässen gekennzeichnet. „Diese Art von Zyklen gibt es nicht mehr.“ Das liege an einem veränderten Verhalten der Investoren und des Managements. „Es wird Bewegungen nach oben und unten geben, aber nicht für die gesamte Branche. Die Marktzyklen werden flacher und kürzer werden.“
Von Bomhard zog aus dem Streit mit der Rating-Agentur Standard & Poor’s Konsequenzen und versprach einen neuen Stil der Offenheit. „Ich werde offener sein gegenüber Investoren, Ratingagenturen und Analysten“, sagte er. „Bei der Presse muss ich wohl vorsichtiger sein“, fügte er hinzu. Die neue Offenheit ist genau das, was die Münchener Rück braucht, heißt es bei Analysten. Der Marktführer litt in den vergangenen zwei Jahren heftig unter schlechten Nachrichten aus den Bereichen Lebensversicherung und Bankenbeteiligung – und das Rückversicherungsgeschäft war angesichts von Großschäden wie dem World Trade Center nicht gewinnbringend genug, um die Löcher zu stopfen. Für 2003 erwartet der Konzern deshalb den ersten Verlust seit dem Erdbeben von San Francisco im Jahr 1906, wenn die unmittelbaren Nachkriegsjahre außer Betracht bleiben.
Dabei konnte die Münchener Rück die Märkte nicht immer davon überzeugen, dass sie die richtige Strategie hat. Bestes Beispiel war der heftige Streit im August mit Standard & Poor’s, die von der Gesellschaft Maßnahmen zur Stärkung ihrer Kapitalbasis forderte. Die Münchener Rück bestritt deren Notwendigkeit, wurde dann auf „A+“ herabgestuft – und holte sich im November dann doch mit einer Kapitalerhöhung 4 Mrd. Euro von Anlegern.
Die Summe will der neue Konzernchef größtenteils in die Rückversicherung stecken. Allerdings sollen nicht die vollen 4 Mrd. Euro für den Ausbau des operativen Geschäfts ausgegeben werden. „Wenn wir das gesamte Geld so verwenden würden, stünden wir da wie vor der Kapitalerhöhung.“ Bisher gibt es nur eine feste Zusage – 300 Mio. $ gehen an die US-Tochter American Re. „Lebensrückversicherung ist sicherlich eines der Gebiete, das wir mit ausbauen können“, sagte von Bomhard. Die Erstversicherungstochter Ergo soll aus heutiger Sicht kein frisches Kapital erhalten.
Dient manchem bei der Münchener Rück die problembeladene Ergo als bequemer Sündenbock? „Das könnte man meinen. Im letzten Jahr wurde sehr viel über die Ergo geschrieben. Wir haben auch in der Rückversicherung noch Probleme zu lösen“, sagte von Bomhard. Auch bei der Ergo dürfe nicht alles auf die steuerliche Behandlung von Lebensversicherern geschoben werden. „Es geht um das Geschäftsmodell Leben an sich. Das ist keine einfache Frage, da gibt es nicht schwarz oder weiß. Sicher ist auf jeden Fall, dass es viel Mühe kostet, das Geschäftsmodell wieder gängig zu machen.“ Er will auch künftig daran festhalten, dass Ergo – Produzent von rund der Hälfte des Umsatzes – nicht im Konzernvorstand vertreten ist. „Man darf die Bedeutung eines Unternehmens nicht am Umsatz messen, sondern am Risikokapital, das dort eingesetzt wird.“ Ohnehin hänge die Lösung der Ergo-Probleme nicht daran, ob die Gesellschaft im Konzernvorstand vertreten sei oder nicht.
Auch intern dürfte sich einiges ändern. „Konsens ist kein Wert an sich“, sagte von Bomhard zu seinem Führungsstil. „Es ist wichtig, dass man alle möglichen Diskussionen führen kann. Aber dann müssen sie zu einem Ende kommen, und es müssen Entscheidungen getroffen werden.“
Zitat:
„Die Märkte bewegen sich seitwärts“ – Nikolaus von Bomhard, künftiger Chef der Münchener Rück
Bild(er):
Nikolaus von Bomhard wird am 1. Januar Chef der Münchener Rück – Martin Hangen
Quelle: Financial Times Deutschland
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