Vertrieb der Hamburg-Mannheimer in Aufruhr · Programme schaffen Probleme
Von Herbert Fromme, Köln Bei der Versicherungsgruppe Hamburg-Mannheimer (HM) gibt es weiter Krach um die Umstellung der Datenverarbeitung. Nach heftigen Beschwerden der Belegschaft, die sich mangelhaft unterrichtet und eingearbeitet fühlte, gibt es jetzt Unruhe im Vertrieb. Vertreter beschweren sich über langsam oder gar nicht stattfindende Bearbeitung von eiligen Dokumenten in der Hamburger Zentrale und über Provisionsabzüge, die als ungerechtfertigt empfunden werden. Hinzu komme die schlechte telefonische Erreichbarkeit des Versicherers, der mit dem freundlichen „Herrn Kaiser“ wirbt.
Die HM gehört zum Ergo-Konzern, in dem die Münchener Rück die meisten ihrer Erstversicherer gebündelt hat. Im Juli wurde die IT auf das System der Ergo umgestellt, das auf den Programmen der ebenfalls zum Konzern gehörenden Victoria beruht.
„Ich habe Kunden, die einen so genannten Überbrückungsantrag gestellt hatten“, berichtete ein Vertreter. Damit können Versicherte in temporären Zahlungsschwierigkeiten für einige Monate Aufschub erhalten, ohne dass der Versicherungsschutz verloren geht. „Die Anträge wurden in der Zentrale überhaupt nicht bearbeitet. Die Kunden sahen sich plötzlich gerichtlichen Mahnbescheiden und Vollstreckungen gegenüber.“ Für den Vertreter bedeute das nicht nur den möglichen Verlust des Kunden, sondern auch den Abzug früher gezahlter Provisionen, so genannte Storni, durch die HM. „Das sind mehrere tausend Euro, die dann plötzlich auf einen Schlag im Januar als Storno abgezogen wurden“, sagte der Vertreter. Wenn sich die Kunden telefonisch in der Zentrale beschweren wollten, würden sie barsch abgefertigt – wenn denn überhaupt eine Leitung frei sei, so ein anderer Vermittler. „Unsere Kunden finden es unmöglich, dass wir als Großkonzern diese Probleme auch nach Monaten nicht in den Griff kriegen.“
Als die „größte Herausforderung seit Jahrzehnten“ an den Außendienst sieht auch Günter Jabs aus Dortmund die IT-Umstellung. Er ist Vorsitzender der Interessenvertretung der HM-Vermittler. „Wir können zur Zeit nur 20 Prozent unserer Verkaufskapazität für unsere eigentliche Aufgabe einsetzen, der Rest geht für die Verwaltungsprobleme drauf“, sagte Jabs. IT-Ergo, die für die EDV zuständige Tochter des Konzerns, unterschätze immer noch die Probleme des Außendienstes mit der Umstellung.
„Es gibt Probleme, aber sie sind jetzt deutlich kleiner als vor sechs Monaten“, kommentierte ein HM-Unternehmenssprecher. Bei den Arbeitsrückständen und der telefonischen Erreichbarkeit habe sich die Situation verbessert. Von einer besonderen Kündigungswelle könne nicht die Rede sein. Die Vertriebszahlen seien ausgezeichnet.
Auch auf Vorstandsebene soll es nach Angaben aus Unternehmenskreisen bereits zu heftigen Zusammenstößen wegen des IT-Debakels gekommen sein. Das alte HM-System war deutlich höher automatisiert und „außendienstfreundlicher“. Als Grundlage für die Ergo-IT wurde dennoch das System der Victoria verwandt, weil es auf Standarddatenbanken beruht. Damit sei die neue Ergo-IT zukunftssicherer als die in die Jahre gekommene Eigenentwicklung der Hamburg-Mannheimer, hieß es bei der Einführung.
Quelle: Financial Times Deutschland
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