Wegfall des Steuerprivilegs für Kapitallebensversicherung pflügt Branche um · Vor allem kleine Anbieter und Finanzvertriebe betroffen
Von Herbert Fromme und Anja Krüger, Köln Der von der Bundesregierung angekündigte Wegfall des Steuerprivilegs in der Kapitallebensversicherung wird nach Ansicht von Marktbeobachtern die deutsche Versicherungslandschaft umwälzen. Grund: Jährlich verkaufen die Versicherer rund zehn Millionen neue Lebenspolicen, die Steuerfreiheit ist ein zentrales Verkaufsargument.
Nach einen Gesetzentwurf der Regierung sollen Erträge aus Kapitallebensversicherungen, die ab 2005 verkauft werden, voll versteuert werden müssen. Die Opposition hat ihren Widerstand gegen das Vorhaben jetzt aufgegeben – dem Gesetz steht damit nichts mehr im Wege.
Die Assekuranz werde neue Produkte und Vertriebsstrukturen entwickeln müssen, heißt es in der Branche. Die Unternehmen brauchen künftig neue Produkte, die nicht mehr auf die Steuerfreiheit abzielen.
Dieser Hürde könnten viele der jetzt mehr als 100 Lebensversicherer zum Opfer fallen. Die Konsolidierung des sehr fragmentierten deutschen Lebensversicherungsmarktes gilt gerade den Topmanagern der großen Versicherer als überfällig: „Die kleinen Gesellschaften können die neuen Produkte nicht entwickeln“, sagte ein Vorstandsmitglied einer der größeren Versicherungsgruppen, das nicht genannt werden möchte. „Das gilt auch für die Vertriebe: Die Großen können ihre Vertriebe mit neuen Produkten schulen, das haben sie in der Vergangenheit auch schon gemacht. Wer aber bisher nur auf die Steuervorteile fixiert war, hat Probleme.“ Der Manager erwartet, dass die Versicherer auf fondsgebundene Produkte mit Garantien setzen werden.
Für das gegenwärtige Vertriebssystem der Assekuranz ist die Lebensversicherung prägend: Die Vertreter erhalten rund vier Prozent der insgesamt vom Kunden zu zahlenden Beitragssumme: Wenn er einen Vertrag über 20 Jahre und 200 Euro Monatsbeitrag abschließt, sind das fast 2000 Euro, die der Kunde mit seinen Beiträgen zahlt. Vertriebe wie MLP, AWD oder OVB bekommen sogar deutlich höhere Provisionen. Sie werden von der Gesetzesänderung besonders hart getroffen.
Die beiden Marktführer Allianz Leben und die zur Münchener Rück gehörende Hamburg-Mannheimer kritisieren, dass die Gesetzesänderung eine Benachteiligung der Kapitallebensversicherung gegenüber anderen Kapitalanlagen bedeuten würde. Die Bundesregierung könne nicht die Notwendigkeit der privaten Vorsorge betonen und sie gleichzeitig erschweren, heißt es bei beiden Unternehmen. „Das ist schon wegen der demografischen Entwicklung falsch“, sagte ein Sprecher der Hamburg-Mannheimer. Die Kapitallebensversicherung sei für Kunden ein attraktives Produkt, weil sie Sicherheit und Rendite verbinde. Konkrete neue Produkte habe die Hamburg-Mannheimer noch nicht. „Wir wollen erst einmal abwarten, was tatsächlich herauskommt.“ Die Allianz Leben dagegen ist auf alle Eventualitäten vorbereitet. „Wir sind bereit, falls andere Produktmerkmale gefordert sein sollten“, sagte ein Sprecher.
Beide Unternehmen wollten keine Prognose darüber abgeben, ob die Gesetzesänderung 2004 zu einem Rekordjahr für die Lebensversicherer machen wird. Als Finanzminister Hans Eichel 1999 die Einführung der Besteuerung von Kapitallebensversicherungen schon einmal angekündigt hatte, boomten die Produkte. Die Kunden wollten vor dem Wegfall noch von dem Steuerprivileg profitieren. „Es ist vorstellbar, dass der Absatz dieses Jahr anzieht, aber danach rückläufig wird“, sagte der Allianz-Sprecher. Das hänge aber vor allem von der Entwicklung anderer Anlageprodukte ab. „Die Kundschaft ist im Moment eher abwartend.“
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Quelle: Financial Times Deutschland
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