Während deutsche Banken sich als Finanzdienstleister international schwer tun, stärken die Assekuranzen ihre Positionen – auch von Frankfurt aus
Von Herbert Fromme Frankfurt hat viele Rivalen – London als Finanzplatz, Hannover, Köln oder Düsseldorf als Messestädte, die Landeshauptstadt Wiesbaden, wenn es um die Rolle als Machtzentrum der hessischen Politik geht. Ein besonderes Konkurrenzverhältnis verbindet die Stadt mit München – denn an der Isar sitzen die größten Versicherungskonzerne Deutschlands, Allianz und Münchener Rück.
In den vergangenen zehn Jahren haben die Versicherer den Banken den Rang als führende Unternehmen der deutschen Finanzbranche abgelaufen. Die Allianz gehört inzwischen weltweit zu den größten Versicherungskonzernen, die Münchener Rück ist Weltmarktführer in ihrer Branche. Das trifft auf keine deutsche Bank zu. Und wenn es eines Beweises für die Vorherrschaft der Versicherer auf diesem Feld bedurft hätte, lieferte ihn die Allianz vor drei Jahren mit der Übernahme der Dresdner Bank. Deren zentraler Sitz ist Frankfurt. Noch ist dieser gigantische Feldversuch über die Zusammenkoppelung von Versicherungskonzern und Geldhaus nicht abgeschlossen, und es ist keineswegs entschieden, ob er gelingt. Aber klar ist: Ein Versicherer hat eine der größten Banken gekauft – und nicht umgekehrt.
Frankfurt ist auch selbst ein bedeutender Versicherungsstandort, das Rhein-Main-Gebiet ist neben München, Hamburg und Köln eine der Hochburgen der deutschen Assekuranz. In Oberursel sitzt die Alte-Leipziger-Gruppe, in Wiesbaden residieren unter anderem DBV Winterthur, R+V und die Sparkassenversicherung Hessen-Nassau-Thüringen, die gerade mit ihrer Schwestergesellschaft fusioniert, der Sparkassenversicherung Baden-Württemberg in Stuttgart.
In Frankfurt selbst haben zwei bedeutende Versicherungskonzerne große Niederlassungen, Zurich Financial Services (ZFS) und Allianz. Die ZFS, die in Deutschland als Zürich Gruppe auftritt, führt von Frankfurt aus mit 1100 Beschäftigten ihre deutschen Aktivitäten. Zweiter großer Standort ist Köln. „Frankfurt ist ein ausgezeichneter Versicherungsstandort“, lobt ZFS-Deutschlandchef Eduard Thometzek. Geografische Lage, Verkehrsanbindung und die Nähe zu vielen Finanzinstituten seien vorteilhaft. Das Gehaltsniveau sei vergleichbar mit anderen Standorten in Deutschland.
„Es gibt sehr gut ausgebildete Arbeitskräfte in Frankfurt“, sagt Thometzek. Trotzdem will die Branche handeln, um das Niveau der Mitarbeiter weiter zu heben – vor allem auf der Management-Ebene: Mehrere Versicherungsgesellschaften aus dem Rhein-Main-Gebiet unter Führung der DBV Winterthur planen, die Einrichtung eines Lehrstuhls für Versicherungswesen an der Johann- Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt finanziell zu fördern
Größter Versicherer in Frankfurt ist die Frankfurter Versicherung, die unter der Marke Frankfurter Allianz auftritt. Sie gehört zu 100 Prozent der Allianz-Versicherung in München. Rund 2500 Beschäftigte arbeiten in dem 2002 eingeweihten neuen Gebäude am Main-Ufer – auf dem Gelände, auf dem Jahrzehnte lang der Sitz der Hauptverwaltung des inzwischen untergegangenen AEG-Konzerns war. Die Frankfurter Allianz gehört mit knapp 2,5 Mrd.Euro Prämieneinnahmen und 4300 Mitarbeitern zu den größeren Versicherungsgesellschaften in Deutschland. Dazu kommen noch 2200 hauptberufliche und 15 400 nebenberufliche Vertreter.
Dass die Allianz so prominent am Main vertreten ist, geht auf das Jahr 1929 zurück. Im August jenes Jahres kollabierte der zweitgrößte deutsche Versicherer, die Frankfurter Versicherung, zu deren Einflussbereich auch drei große Lebensversicherer gehörten. Zu den Gründen für den Zusammenbruch schreibt der Marburger Wirtschaftshistoriker Peter Borscheid: „Da er (Generaldirektor Paul Dumcke) im Wettbewerb gegenüber der Allianz klar unterlegen war, griff er zu einer Art Doping, er stieg in nicht erlaubte, versicherungsfremde Geschäfte mit bankmäßigem Charakter ein.“ Der Versuch, die Allianz mit einem Kraftakt zu überholen, führte zu hochriskanten Kreditabsicherungen. Als sie fällig wurden, ging die Frankfurter in die Knie. In einer Blitzaktion übernahmen Allianz und Münchener Rück den größten Teil der Bestände. Die beiden gründeten dafür die Neue Frankfurter Allgemeine Versicherung, die ausdrücklich nicht Rechtsnachfolger der maroden Frankfurter Versicherung war. 1940 wurde der alte Name wieder angenommen. Die Frankfurter ist immer noch eine eigenständige Gesellschaft und verwendet die Marke Frankfurter Allianz – auch wenn sie eng in den Münchner Gesamtkonzern eingebunden ist.
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Das Verwaltungsgebäude der Allianz-Versicherung in Frankfurt: Rund 2500 Beschäftigte arbeiten in dem 2002 eingeweihten Bau am Main-Ufer auf dem ehemaligen Gelände des AEG-Konzerns – Artur/ Barbara Staubach
Quelle: Financial Times Deutschland
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