Neues Modell soll Bürgerversicherung stoppen
Von Ilse Schlingensiepen, Berlin Um die von Rot-Grün angestrebte Bürgerversicherung zu verhindern, wollen sich die Privaten Krankenversicherungen (PKV) für bislang gesetzlich Versicherte öffnen. Ein neues Tarifmodell, das der PKV-Verband gestern auf seiner Jahrestagung in Berlin vorstellte, sieht die Einführung eines brancheneinheitlichen Basisschutzes vor, der etwa dieselben Leistungen wie die gesetzlichen Kassen bietet. Er soll allen freiwillig bei den gesetzlichen Kassen Versicherten bis zum 55. Lebensjahr ohne vorherige Gesundheitsprüfung offen stehen.
Mit dem „Zukunfts-Konzept“ genannten Tarifmodell, das 2006 eingeführt werden könnte, werfen die privaten Versicherungen eherne Prinzipien über Bord, um ihre Existenz zu sichern. Denn sowohl die von SPD und Grünen geplante Bürgerversicherung als auch die von der Union favorisierte Kopfpauschale hätten das Ende der PKV in der jetzigen Form zur Folge. Im Gegenzug für ihr Zugeständnis verlangt die Branche von der Politik daher „eine stabile Zukunftsperspektive in der Vollversicherung“.
Keine Gesundheitsprüfung
„Die PKV stellt sich der Diskussion, solange sie fair und vorurteilsfrei ist“, sagte der Präsident des PKV-Verbands Reinhold Schulte. Die Branche ist dazu bereit, sich zumindest teilweise von bislang als unumstößlich bezeichneten Grundsätzen zu verabschieden. So galten für sie individuelle Gesundheitsprüfungen und Risikozuschläge bisher als unverzichtbar. Bei dem neuen Tarif, der auf Angestellte mit einem Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze von 3862 Euro im Monat sowie Beamte und Selbstständige zielt, müssen die Versicherungen dagegen jeden Kunden ohne Prüfung annehmen. Die unterschiedliche Belastung der Unternehmen durch kranke Kunden soll ein Risikopool ausgleichen.
Entscheidend für die Prämie ist das Eintrittsalter: Ein 33-jähriger Mann würde nach den Kalkulationen der Branche monatlich 226 Euro zahlen, eine gleichaltrige Frau 279 Euro. 53-Jährige müssten 357 Euro beziehungsweise 358 Euro bezahlen. Bei einem Wechsel des PKV-Anbieters können die Kunden ihre Alterungsrückstellungen mitnehmen, eine erneute Gesundheitsprüfung findet nicht statt.
Den bereits privat Versicherten bleibt die Mitnahme der Alterungsrückstellungen bei einem Wechsel dagegen weiter verschlossen. „Eine neue Welt lässt sich nur für neue Versicherte aufbauen“, so Verbandschef Schulte.
Die größte deutsche Ersatzkasse Barmer nannte das Konzept „einen billigen Marketingtrick“. Älteren Versicherten, die besonders oft erkrankten, verwehre die PKV weiter den Wechsel. Es bleibe damit bei der „gezielten Risikoselektion“ durch die PKV, die den Kassen jährlich 2 Mrd. Euro entziehe.
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Quelle: Financial Times Deutschland
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