Von Herbert Fromme, Bonn Zwölf Lebensversicherer und zwei private Krankenversicherer haben den Stresstest der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nicht bestanden. Das sagte Thomas Steffen, Chef der Versicherungsaufsicht bei der BaFin. Fünf Lebensversicherer und ein Krankenversicherer mussten bei allen – drei verschieden scharfen – Tests passen. „Das sind rund 10 Prozent der Branche“, sagte Steffen. „Wir reagieren auch, zum Beispiel durch Prüfungen der Unternehmen.“
Der Stresstest ist ein wichtiger Frühindikator für die Finanzstärke. Die Aufsicht prüft dabei, ob die Gesellschaften auch unter raschen negativen Veränderungen in den Finanzmärkten ihre Verpflichtungen gegenüber den Kunden erfüllen können. Der Stresstest A misst, wie sich ein Rückgang der Aktienkurse um 35 Prozent auswirkt, der Test R geht von einem Verfall des Werts von festverzinslichen Papieren um 10 Prozent aus, der Test RA simuliert einen gleichzeitigen Rückgang der Aktien um 20 Prozent und der festverzinslichen Papiere um 5 Prozent.
BaFin-Präsident Jochen Sanio zeigte sich trotz der Stresstest-Ergebnisse nicht unzufrieden mit der Situation der Versicherer. „Sie sind immer noch damit beschäftigt, ihre Wunden zu lecken“, sagte er. „Insgesamt aber ist das vergangene Jahr viel besser verlaufen, als viele befürchtet haben.“ Sanio nannte als positive Trends die steigenden Beitragseinnahmen und den Abbau der stillen Lasten – das sind aus den Vorjahren aufgeschobene Abschreibungen auf Aktien. Auch die zusätzlich nötigen Abschreibungen auf Aktienbestände seien weitaus geringer ausgefallen als erwartet.
Sanio bestätigte, dass die BaFin der Spreizung der Überschussbeteiligung bei einigen Versicherern entgegen getreten ist. Dabei erhalten Kunden, deren Verträge höhere Zinsgarantien enthalten, geringere Gesamtverzinsungen als Kunden mit niedrigeren Garantien. Das widerspreche dem Grundsatz des Versicherungsaufsichtsgesetzes, dass alle Kunden gleich zu behandeln sind. „Es freut mich sehr, dass sich inzwischen alle Verfechter der Spreizung von den Gegenargumenten der BaFin haben überzeugen lassen.“
In Versicherungskreisen hieß es dagegen, man halte an der bisherigen Auffassung fest. „Wir werden die Spreizung für 2005 nicht mehr anwenden“, sagte ein Ergo-Sprecher. „Wir sind aber weiterhin der Ansicht, dass sie versicherungsmathematisch das richtige Verfahren ist.“ Wenn es eine rechtliche Klärung dieser Frage geben sollte, werde die Ergo möglicherweise erneut gespreizte Verzinsungen anbieten. Selbst wollen die Ergo-Töchter Victoria Leben und Hamburg-Mannheimer die Sache aber nicht juristisch ausfechten. Ähnlich äußerte sich Gerling.
Offensichtlich will sich keine Gesellschaft das Boomjahr 2004 durch einen öffentlich ausgetragenen Streit mit der BaFin negativ beeinflussen lassen. Weil das Steuerprivileg für die Kapitallebensversicherung ab 2005 größtenteils fällt, erwartet die Branche für 2004 noch viele Neuabschlüsse. Ein Disput über die Zinsspreizung würde das Geschäft stören. „Das heißt nicht, dass die Frage nicht Ende 2005 wieder aufs Tapet kommt“, sagte ein Manager. Dann müssen die Lebensversicherer die Verzinsung für das Jahr 2006 deklarieren.
BaFin-Chef Sanio kündigte an, die Behörde werde bei möglichen Änderungen im Markt durch den Wegfall des Steuerprivilegs „am Ball bleiben“. Sollten die Versicherer dann mehr Rentenpolicen als Kapitallebensversicherungen verkaufen, werde die Aufsicht prüfen, ob die Risiken auch weiterhin vorsichtig kalkuliert seien, etwa unter dem Gesichtspunkt der Langlebigkeit.
Von der Einführung neuer Sterblichkeitstabellen für die bestehenden Rentenversicherungen, den so genannten Sterbetafeln, erwartet Versicherungsaufseher Steffen einen Nachreservierungsbedarf „im einstelligen Milliardenbereich“. Am 16. Juni werden die Mathematiker im Deutschen Aktuarverband die neuen Sterbetafeln veröffentlichen. Sie gehen von einer längeren Lebensdauer für die jetzt versicherten Kunden aus, die damit auch länger Renten kassieren. Das führt zu der Notwendigkeit, die Reserven zu stärken.
Zitat:
„Das Jahr ist besser gelaufen, als viele befürchtet haben“ – BaFin-Chef Sanio
Quelle: Financial Times Deutschland
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