Arag Rechtsschutz kündigt Streitsüchtigen

Lebensversicherungstochter besteht Stresstest nicht · Familie Faßbender will weitere 70 Mio. Euro Kapital zuschießen

Von Herbert Fromme, Düsseldorf Der Rechtsschutzversicherer Arag will in seiner Hauptsparte 82 000 der zwei Millionen Kunden loswerden. Das kündigte Vorstandschef Paul-Otto Faßbender gestern auf der Jahrespressekonferenz an. Seiner Familie gehört das Unternehmen. Die Arag wolle „Streitsüchtigen“ die Verträge kündigen, die in zwei Jahren drei Schäden oder mehr meldeten und deren Schadenkosten insgesamt über der Prämie liegen. „Wir haben Kunden mit mehr als zehn Schäden“, sagte Faßbender. Das Unternehmen verzichte mit der Kündigungswelle auf rund 20 Mio. Euro an Prämieneinnahmen.

Ursprünglich waren sogar 132 000 Versicherte für die Trennungsaktion aussortiert worden. „Aber es gibt Kunden, die andere Verträge bei uns oder unseren Vertriebspartnern haben“, sagte Vorstand Wolfgang Glatzel. Der Vertrieb habe ein Wort mitzureden bei der Aktion. Insgesamt will Glatzel die Schraube bei den Schäden anziehen. Schon nach zwei Schäden in einem Jahr wird geprüft, ob der Kunde noch tragbar ist.

Die Aktion ist Teil eines Fitnessprogramms, das Faßbender und der Vorstand dem Unternehmen verschrieben haben. Wie nötig es ist, zeigen die immer noch vorhandenen Probleme der Tochter Arag Lebensversicherung. Wegen der hohen Belastungen aus der Aktienkrise bestand sie den neuen, abgeschwächten Stresstest der Finanzaufsicht BaFin zum Jahresende nicht. Der Stresstest misst, ob Lebensversicherer bei einem Verfall der Aktien- und Anleihemärkte dennoch die Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden erfüllen könnten. Die BaFin hat wegen des Nicht-Bestehens die Arag Leben geprüft.

Vorstand Werner Nicoll erwartet, dass der Lebensversicherer die Altlasten in diesem Jahr abbaut. Zur Entlastung der Bilanz 2003 wurden in einem Deal mit Banken künftige Zinserträge von 13 Mio. Euro zu Bargeld gemacht. „Weitere Geschäfte dieser Art hat es nicht gegeben“, betonte Werner Nicoll.

Die Arag ist nach der Allianz und der Münchener-Rück-Tochter DAS der drittgrößte deutsche Rechtsschutzversicherer. Sie verbuchte 2003 Prämien von 347 Mio. Euro, 0,9 Prozent weniger als im Vorjahr. Der Marktanteil sinkt stetig – weil die meisten Versicherer jetzt das Rechtsschutzgeschäft selbst betreiben und nicht mehr an die Spezialunternehmen vermitteln. 2003 lag der Marktanteil in Deutschland bei 12,5 Prozent. 2002 waren es 13 Prozent.

Im Ausland wuchs die Rechtsschutzprämie dagegen um sieben Prozent auf 262 Mio. Euro. Vor allem in den USA läuft das Geschäft mit der bisher weitgehend unbekannten Rechtsschutzversicherung gut. Aufgegeben hat die Arag den Versuch, in Ungarn und Tschechien Fuß zu fassen, die Töchter werden geschlossen.

Eigentümer Faßbender erteilte allen Spekulationen eine Absage, die Arag stehe zum Verkauf oder könne fusionieren. „Wir sind hier langfristig investiert.“ Die Familie hat das Eigenkapital der Holding Fida gerade um 40 Mio. Euro auf 200 Mio. Euro verstärkt und sie in Arag AG umfirmiert. In den nächsten drei Jahren werden die Eigentümer weitere 70 Mio. Euro an Kapital einbringen, kündigte Faßbender an. Er glaubt, dass mit den Sparmaßnahmen – unter anderem werden bis Ende 2005 rund 400 Arbeitsplätze wegfallen – die angepeilte Umsatzrendite von zehn Prozent erreicht werden kann. 2003 verdiente der Konzern gerade mal 0,66 Prozent.

Zitat:

„Wir haben Kunden mit mehr als zehn Schäden“ – Vorstandschef Paul-Otto Faßbender

Quelle: Financial Times Deutschland

Dieser Beitrag ist nur für Premium-Abonnenten vom Versicherungsmonitor persönlich bestimmt. Das Weiterleiten der Inhalte – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Bitte bedenken Sie: Mit einer von uns nicht autorisierten Weitergabe brechen Sie nicht nur das Gesetz, sondern sehr wahrscheinlich auch Compliance-Vorschriften Ihres Unternehmens.

Diskutieren Sie mit