Versicherer zahlt Aufschlag für 60 Prozent an der Neuen Leben · Hoffnung auf breiten Vertriebskanal
Von Herbert Fromme, Köln Die Hannoveraner Talanx-Gruppe hat das Rennen um den Lebensversicherer Neue Leben in Hamburg gewonnen. Die bisherigen Mehrheitseigner Hamburger Sparkasse und Sparkasse Bremen geben 60 Prozent minus eine Aktie an Talanx ab. Zwar hat der Deal nicht die politische Dimension wie die schließlich gescheiterte Privatisierung der Sparkasse Stralsund. Aber er markiert einen wichtigen Wendepunkt: Zum ersten Mal gelang es einem privaten Versicherungskonzern, einen Sparkassenversicherer zu übernehmen – und bedeutende Sparkassen als Minderheitsaktionäre und damit Partner für den Vertrieb zu behalten.
Nach Angaben aus Versicherungskreisen zahlt der aus der HDI-Gruppe hervorgegangene Talanx-Konzern 180 Mio. Euro für die 60 Prozent. Damit stach er nicht nur die Axa als Mitbieter aus dem privaten Versicherungslager aus, sondern auch drei Konsortien von Sparkassenversicherern, die ebenfalls geboten hatten. Sie wollten aber nicht mehr als rund 100 Mio. Euro zahlen und außerdem die offenbar dringend nötige Stärkung der Kapitalbasis der Neuen Leben von diesem Kaufpreis abziehen. Auch die Allianz hatte einen Blick auf den Verkaufskandidaten geworfen.
Der Deal bewertet die Neue Leben mit 300 Mio. Euro. Das ist sehr viel für einen relativ kleinen Lebensversicherer, der 2003 auf 723 Mio. Euro Prämieneinnahme kam. Üblich wären rund 200 Mio. Euro. „Der erhebliche Aufschlag, den Talanx zahlt, ist ein politischer Preis“, sagte ein Insider. Damit habe Talanx es geschafft, sich Zutritt zum Vertrieb über Sparkassen zu verschaffen.
Die Sparkassen haben bundesweit eigene Versicherer, die nur in ihren jeweiligen Regionen arbeiten. Sie treten unter den Namen Provinzial, Sparkassenversicherer oder Versicherungskammer auf. Zusammen kommen diese Gesellschaften auf Prämieneinnahmen von 15,8 Mrd. Euro.
Die Neue Leben gehörte zwar auch den Sparkassen, hielt sich aber nie an die Regionalbeschränkung. Sie verkauft bundesweit über Sparkassen und bietet ihnen damit eine Zweitmarke.
Dass dies so bleibt, bezweifeln Versicherer aus dem öffentlichen Lager. „Talanx ist auch Partner der Postbank und hat zusammen mit ihr die PB Versicherung. Die Postbank ist ein scharfer Wettbewerber der Sparkassen“, sagte ein Manager. Auch die CiV-Versicherung, die mit der Citibank kooperiert, gehört den Hannoveranern. Die Neue Leben soll aber auf keinen Fall mit diesen beiden Gesellschaften fusionieren oder organisatorisch zusammengeschlossen werden, so ein Talanx-Sprecher.
Die Talanx setzt offenbar auf die Loyalität der bisherigen Vertriebspartner und auf die Minderheitsaktionäre. Die Sparkassen in Hamburg und Bremen halten zusammen künftig 25 Prozent plus eine Aktie. Mit kleineren Anteilen sind die Sparkassen Lübeck, Dresden, Mittelbrandenburg, Rostock und Mecklenburg-Nordwest vertreten. An der Neue Leben Pensionsverwaltung haben auch die Kassen aus Köln, Frankfurt, Hannover und Nassau Anteile.
Talanx-Chef Wolf-Dieter Baumgartl hatte schon Ende 2003 erklärt, möglichst rasch zukaufen zu wollen. Er will die Talanx an die Börse bringen und muss dafür das Gewicht des Rückversicherungssektors reduzieren – Talanx ist Mehrheitseigner der Hannover Rück, die selbst börsennotiert ist. Um nicht dasselbe Geschäft zweimal an die Börse zu bringen, will Baumgartl den Erstversicherungssektor stärken. Dabei hatte er allerdings immer betont, nur einen Schaden- und Unfallversicherer und keinen Lebensversicherer kaufen zu wollen. Offenbar sind alle bisherigen Versuche in dieser Richtung aber gescheitert. Unter anderem soll Talanx erfolglos für den dänischen Versicherer Codan geboten haben.
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Talanx-Chef Wolf-Dieter Baumgartl dringt mit der Übernahme der Neuen Leben in den bisher abgeschlossenen Sparkassenbereich ein – Kai-Uwe Knoth
Quelle: Financial Times Deutschland
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