Schiffbau und Schifffahrt geht es so gut wie seit langem nicht · Aber Überhitzung und Absturz sind nicht ausgeschlossen
Von Herbert Fromme und Katrin Berkenkopf Als Paul Dowell sein Zahlenfeuerwerk zündet, glänzen die Augen der versammelten Hamburger Schifffahrtsprominenz. Der Analyst des Londoner Schiffsmaklers Howe Robinson erklärt ihnen gerade, dass sie auch in den nächsten zwei Jahren mit weiter steigenden Gewinnen rechnen können: Der weltweite Containertransport steigt derzeit viermal schneller als das Wirtschaftswachstum. Das ist ein Ergebnis der zunehmenden Arbeitsteilung in der Welt: Viele Produkte werden in ihrem Herstellungsprozess heute zwei- oder dreimal verladen und verschifft.
Für Banker, Fondsexperten und Reeder bedeutet das bares Geld. Immer mehr Schiffe werden gebraucht, um die Güter zwischen Asien, Europa und Amerika zu transportieren. Und nirgendwo werden so viele Containerschiffe finanziert wie in Deutschland.
Auch die Schiffbauer profitieren. Jahrzehntelang waren sie die industriellen Sorgenkinder der Küstenländer. Den wichtigen Markt für Containerschiffe hatten sie schon fast aufgegeben – zu übermächtig war die Konkurrenz aus Südkorea und China. Aber jetzt sind alle Werften in der Welt auf Jahre gut ausgelastet. Auch deutsche Werften bauen deshalb wieder Containerfrachter, zusätzlich zu den Kreuzfahrtschiffen und Marinefahrzeugen, auf die sie sich spezialisiert hatten.
Keine Frage – den maritimen Industrien Schifffahrt, Schiffbau und Häfen geht es ausgezeichnet. Die neue Stärke wird auch die Fachmesse Schiff, Maschine, Meerestechnik (SMM) bestimmen, die ab Montag in Hamburg stattfindet und als einer der wichtigsten Treffpunkte dieser internationalen Branchen gilt.
Verbandsfunktionäre und Lobbyisten versuchen mittlerweile sogar, die Euphorie etwas zu dämpfen. Sie fürchten, dass sonst bald die politische Unterstützung für Schifffahrt und Schiffbau wegbrechen könnte. Schon jetzt rebellieren die Küstenländer gegen die von der Bundesregierung durchgesetzte Regelung, dass auf jeden Subventions-Euro für die deutschen Werften aus Berlin 2 Euro aus den Kassen der jeweiligen Länder kommen müssen.
Dass gerade die deutschen Reeder und Werften vom weltweiten Boom profitieren, verdanken sie ohnehin zum großen Teil einem kräftigen politischen Rückenwind.
Im Jahr 2000 lud Bundeskanzler Schröder zur ersten Nationalen Maritimen Konferenz. Seitdem treffen sich die Reeder, Schiffbauer und Hafenmanager regelmäßig mit der Politik. Staatssekretär Georg-Wilhelm Adamowitsch aus dem Bundeswirtschaftsministerium ist Maritimer Koordinator der Regierung – ein in der EU einmaliger Posten. „In der Stärkung eines nationalen Netzwerks sehe ich auch eine Basis für die Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen maritimen Wirtschaft“, sagt Adamowitsch. Berlin beließ es nicht bei Konferenzen und dem Maritimen Koordinator. Hinzu kamen handfeste finanzielle Maßnahmen. Die große Rolle Deutschlands als Heimat für Containerschiffsflotten ist vor allem der Tonnagesteuer zu verdanken. Sie beschert den Schiffseignern eine extrem niedrige Steuerlast und ist dem Finanzminister deshalb ein Dorn im Auge.
Reeder, die von der Tonnagesteuer profitieren wollen, müssen ihre Schiffe von Deutschland aus managen. Seit der Einführung der Steuer im Jahr 1999 sind daraus nach Angaben des Verbands Deutscher Reeder 2000 neue Arbeitsplätze entstanden.
Ansonsten ist Berlin nicht kleinlich: So dürfen die Reeder 80 Prozent der Lohnsteuer einbehalten, die ihre Seeleute zahlen müssen – wenn ihre Schiffe unter deutscher Flagge fahren. Damit sollen die Reeder für die höheren Kosten entschädigt werden, die mit dem Führen ihrer Heimatflagge verbunden sind. Zwar fährt trotzdem die Mehrzahl der Schiffe deutscher Reeder unter einer Billigflagge. Aber der Trend weg von Schwarz-Rot-Gold ist gebrochen.
Die günstige Konjunktur führt zu Rekordgewinnen der Reedereien. So meldete die TUI-Tochter Hapag-Lloyd für 2003 ein operatives Ergebnis von 253 Mio. Euro, Euroso viel wie nie zuvor. „Wir sind zuversichtlich, das Resultat noch mal zu übertreffen“, sagt Reedereichef Michael Behrendt.
Auch Privatanleger wollen von dem Boom profitieren und überschwemmen die Schiffsfonds mit Geld. Die investieren das in neue oder gebrauchte Schiffe, die dann an die großen Linienreedereien verchartert werden. Mittlerweile gehören knapp drei Viertel aller weltweit in Charter fahrenden Containerschiffe deutschen Anlegern. Der Markt zeigt deutliche Zeichen von Überhitzung: Inzwischen finden auch wenig seriöse Angebote Abnehmer. Dank des China-Booms ist Transportraum knapp und die Preise dafür hoch, deshalb können die deutschen Besitzer Charterraten erzielen, die so hoch sind wie nie zuvor. Davon profitieren auch die Anleger. „Unsere Fachleute sehen selbst für 2006 keine Abschwächung auf den Schifffahrtsmärkten“, beruhigt TUI-Chef Michael Frenzel, der gerade beschlossen hat, die gutes Geld verdienende Tochter Hapag-Lloyd erst einmal nicht zu verkaufen.
Irgendwann und unerwartet wie immer wird aber wohl der Absturz kommen. Denn Schifffahrt ist ein zyklisches Geschäft. Paul Dowell sieht auf den großen Ost-West-Routen zwischen Asien, Nordamerika und Europa schon erste Hinweise auf Überkapazität an Schiffsraum. Und die britischen Berater von Ocean Shipping Consultants sagen einen drastischen Einbruch der Rentabilität von Schiffen für die Zeit nach 2006 voraus. Wann das passiert und wie schlimm die Krise wird, entscheidet sich in Fernost. Bis dahin aber wird in Hamburg noch das Geld gezählt.
Zitat:
„Wir sind zuversichtlich, unser Rekordresultat zu übertreffen“ – Hapag-Lloyd-Chef Michael Behrendt
Bild(er):
Container der chinesischen Reederei Cosco werden in Shanghai verladen. Der rasant steigende Handel mit China und anderen Ländern der Region bringt Reedern und Werften gute Geschäfte – Hapag-Lloyd Imaginechina/Gao Feng
Quelle: Financial Times Deutschland
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