EU-Staaten kippen Zwang zu Unisex-Tarifen

Versicherungen entgehen Pflicht zu Einheitspreisen

Von Christine Mai, Brüssel, und Herbert Fromme, Köln Die EU-Kommission ist mit ihrem Vorstoß gescheitert, die Mitgliedsländer zur Einführung von einheitlichen Versicherungstarifen für Männer und Frauen zu verpflichten. Bei einem Treffen am Montag in Luxemburg werden sich die Regierungen nach FTD-Informationen voraussichtlich auf einen Kompromiss einigen, den die Niederländer als amtierende Ratspräsidenten vorlegen. Danach dürfen Mitgliedsstaaten weiter unterschiedliche Tarife zulassen: Bei Kranken- und Lebensversicherungen beispielsweise zahlen Frauen wegen der höheren Lebenserwartung mehr, in der Autoversicherung oft weniger.

Die bevorstehende Einigung ist ein Sieg für die Versicherungsbranche. Sie hatte sich, ähnlich wie einige EU-Mitglieder, heftig gegen einheitliche Tarife gewehrt. Die Versicherer warnten vor insgesamt höheren Prämien. Das würde ihr Geschäft belasten. Die Pläne für die so genannten Unisex-Tarife sind Teil eines Richtlinienvorschlags, mit dem die Kommission Frauen beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen gleichstellen will.

Kommission will prüfen

Der Kompromissvorschlag, der der FTD vorliegt, schreibt zwar fest, dass es aufgrund des Geschlechts nicht zu unterschiedlichen Prämien und Leistungen kommen darf. Davon dürfen Mitgliedsstaaten aber abweichen – wenn eine geschlechtsspezifische Risikoberechnung auf „relevanten und akkuraten versicherungsmathematischen und statistischen Daten“ basiert. Die kann die Assekuranz problemlos für alle betroffenen Versicherungssparten vorlegen. Für den Kompromiss hat sich nach Angaben aus diplomatischen Kreisen eine große Mehrheit der Regierungen ausgesprochen. „Wir können mit dem Kompromiss gut leben“, sagte eine Diplomatin.

Die Mitgliedsstaaten, die unterschiedliche Tarife für Männer und Frauen zulassen, sollen die Kommission informieren und die Daten veröffentlichen, die zur Berechnung herangezogen werden. Kosten, die durch Schwanger- und Mutterschaft entstehen, dürfen nicht zu unterschiedlichen Prämien und Leistungen führen. Brüssel behält sich jedoch vor, die Praxis in den EU-Ländern in einigen Jahren zu überprüfen.

Riester bald einheitlich

In Deutschland sind bisher schon die Riester-Renten im Sinne der Unisex-Tarife geregelt. Ab 2006 gewährt der Staat nur dann die erheblichen Zuschüsse, wenn die Verträge geschlechtsneutral kalkuliert sind.

Bisher zahlen Frauen für Riester-Policen rund 15 Prozent höhere Beiträge als Männer. Die Versicherer begründen das damit, dass Frauen, die das 60. Lebensjahr erreichen, im Durchschnitt noch 23,7 Jahre leben – viereinhalb Jahre länger als Männer. Mit den Einheitstarifen werde Riester für Frauen sehr attraktiv, für Männer aber nicht mehr, argumentiert die Assekuranz.

Die Befürworter des Einheitstarifs, die im April quer durch die Parteien den Unisex-Tarif für Riester im Bundestag durchsetzten, verweisen auf die Notwendigkeit der privaten Altersvorsorge als Alternative zur schmaler werdenden gesetzlichen Versorgung. Deshalb müssten Privatversicherungen auch analog zur Sozialrente geschlechtsneutral sein.

Quelle: Financial Times Deutschland

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