Die deutsche Versicherungswirtschaft ist erneut mit einer massiven Änderung ihrer Kapitalanlagepolitik beschäftigt. Neue Asset-Management-Systeme sind nötig, damit die Unternehmen den Anforderungen von Aufsicht und Finanzmärkten auch entsprechen.
Zwei Hauptprobleme plagen die Versicherer. Die Zinsen für festverzinsliche Papiere, in die sie mehr als 80 Prozent anlegen, sind auf historischen Tiefstständen. Aber sie können kaum auf Aktien und andere alternative Wertpapiere ausweichen. Seit dem Börsencrash verlangt die Finanzaufsicht BaFin rigide Stresstests, mit denen die Unternehmen die Erfüllbarkeit aller Forderungen auch in Extremsituationen des Kapitalmarkts nachweisen müssen.
Außerdem führt die Europäische Union neue Regeln für die Eigenmittel der Versicherer ein – je höher das Risiko, das sie übernehmen, desto größer müssen die dafür vorgehaltenen Eigenmittel sein. Bekannt sind die noch nicht fertig ausformulierten Regeln unter dem Schlagwort Solvency II, analog zu Basel II für die Banken. Eingeführt werden sie wahrscheinlich innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre.
Neu an Solvency II: Auch die Risiken auf der Kapitalanlageseite gehen in die Berechnung der nötigen Eigenmittel ein, nicht nur die eigentlichen Versicherungsrisiken. Wer als Versicherer viel in Aktien investiert, kann möglicherweise einen höheren Ertrag erzielen als mit festverzinslichen Wertpapieren – aber künftig muss er dafür mehr – teure – Eigenmittel bereitstellen. „Die Kapitalanforderungen werden unter Solvency II zunehmen“, sagt Hans Wright, Versicherungsanalyst bei der Rating-Agentur Standard & Poor’s.
Die deutschen Versicherer verwalten die gigantische Summe von rund 1100 Mrd.Euro oder 1,1 Billionen Euro. Der größte Teil davon dient der Deckung von langfristig fälligen Forderungen der Kunden in der Lebensversicherung – diese Sparte allein kommt nach den letzten offiziellen Zahlen auf 62 Prozent aller Kapitalanlagen. Die privaten Krankenversicherer halten zehn Prozent, die Schaden- und Unfallversicherer kommen auf elf Prozent, die Rückversicherer auf 17 Prozent.
Es gab Zeiten, da bestand die Verwaltung der Kapitalanlagen eines mittleren Versicherers im Wesentlichen aus einem Mittagessen. Alle vier Wochen, manchmal auch noch seltener, traf sich der Finanzvorstand des Assekuranzunternehmens mit dem Leiter der zuständigen Bank- oder Sparkassenfiliale, um die Anlagepolitik für die nächste Zeit zu besprechen.
Das Geld wurde ohnehin fast vollständig festverzinslich angelegt. Aktien spielten in den Zeiten der regulierten Märkte nur bei wenigen Versicherern eine Rolle, alternative Anlageformen schon gar nicht.
Bei den Marktführern war es nie so gemütlich. Allianz, Münchener Rück und die anderen Schwergewichte der Branche hatten ausgefeiltere Methoden, ihr Geld und das ihrer Kunden anzulegen. Aber auch für die kleinen und mittleren Gesellschaften wurde schon nach der Deregulierung 1994 die Kapitalanlagepolitik ein wichtiger Wettbewerbsfaktor. In der Lebensversicherung hängt es vom Ertrag der Kapitalanlagen ab, wie viel das Unternehmen seinen Kunden auf deren Sparanteil an Zinsen gutschreiben kann. In der Schaden- und Unfallversicherung entscheidet eine gute Kapitalanlage darüber, ob langfristige Risiken, vor allem in der Haftpflichtversicherung, auch nach zehn Jahren noch den erhofften Gewinn bringen oder sogar einen Verlust. Allerdings war das Management der Versicherer ausgesprochen prozyklisch. Als die Aktienmärkte schon stark überhitzt waren, gingen viele Versicherer erst hinein – mit dramatischen Folgen. Allein die Lebensversicherer verbrannten mehr als 50 Mrd. Euro im Börsencrash.
Jetzt reagiert die Branche deutlich vorsichtiger und professioneller, oft auch in ausgelagerten Gesellschaften. „Versicherer haben andere Ansprüche an ein Asset Management als andere Unternehmen“, sagt Andrea Simokat, Managerin bei GeneralCologne Re Capital. Das Unternehmen verwaltet für die Gen Re und für andere Versicherer die Kapitalanlagen. „Dem Versicherer geht es um langfristige bilanzielle Ziele.“
Quelle: Financial Times Deutschland
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