Die deutschen Versicherer rechnen für 2005 zum ersten Mal seit 2000 mit einem Rückgang der Prämieneinnahmen in der Schaden- und Unfallversicherung. Sie würden um 0,5 Prozent auf 55,0 Mrd. Euro sinken, obwohl die Zahl der Verträge leicht um 0,3 Prozent auf 273,4 Millionen steige, teilte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) gestern mit. „Wir könnten eine Trendwende sehen“, sagte Edmund Schwake, Leiter des Hauptausschusses Schaden- und Unfallversicherung im GDV. Allerdings werde das Jahr 2005 wohl trotzdem vom Gewinn her das zweitbeste seit zehn Jahren werden, nur 2004 sei besser gewesen. Schwake ist im Hauptberuf Vorstand der Finanzgruppe Wüstenrot & Württembergische in Stuttgart.
Nach der Lebensversicherung mit 70 Mrd. Euro Prämienvolumen ist das Schaden- und Unfallgeschäft im Volumen der zweitwichtigste Markt für die Branche, gemessen am Gewinn gar der wichtigste. Am Geschäft mit Autodeckungen, Hausratversicherungen, Haftpflicht- und Feuerpolicen verdient die Assekuranz glänzend. Nach einer Umfrage des GDV unter seinen Mitgliedern kommt das gewinnträchtige Geschäft nun allerdings aus zwei Sparten unter Druck. In der Autoversicherung erwarten die Versicherer einen Rückgang um zweiProzent auf 22,0 Mrd. Euro: Dabei drücken die Preissenkungen vieler Versicherer auf die Prämieneinnahmen, zudem wachsen neue Kundenschichten in höhere Schadenfreiheitsrabatte. Negativ entwickelt sich auch die Industrie-Sachversicherung. Hier sehen die Unternehmen sogar ein Minus von sieben Prozent auf 3,9 Mrd. Euro.
Gleichzeitig sinken die Schäden nicht weiter, anders als in den Vorjahren. „Wir erwarten leicht steigende Schadenzahlungen von 0,5 Prozent“, sagte Schwake.
Die Zahlen belegen, dass nach Jahren wachsender Gewinne der zunehmende Konkurrenzdruck vor allem in der Kfz- und Industrieversicherung zu fallenden Preisen führt. Allerdings hat die Branche dafür auch Luft: Das Preisniveau ist sehr hoch und die Schadenbelastung immer noch vergleichsweise niedrig.
Die Branche erwartet für 2005 einen technischen Gewinn in Schaden/Unfall von rund 4,4 Mrd. Euro, verglichen mit 5 Mrd. Euro im Vorjahr. Er wird aus den Beitragseinnahmen minus Schäden und Kosten berechnet. Dazu kommen erhebliche Kapitalerträge aus den Schadenrückstellungen, die vom GDV nie beziffert werden, aber ebenfalls Milliarden betragen dürften. Diese Gewinne erlauben Versicherern wie der Allianz, mit gezielten Preissenkungen die Angriffe auf ihren Marktanteil etwa in der Autoversicherung zurückzuschlagen – und immer noch gut zu verdienen. Von einem Preiskrieg will Schwake jedoch nichts wissen. „Der sähe anders aus“, sagte er. Allerdings wirkten sich die verkündeten Preissenkungen fast aller Versicherer erst 2006 mit voller Wucht aus.
Große Hoffnungen richtet die Branche auf eine mögliche neue Bundesregierung. Vor allem das Antidiskriminierungsgesetz der jetzigen Regierung liegt ihr schwer im Magen. „Das wird ja nun in dieser Legislaturperiode voraussichtlich nicht mehr verabschiedet“, sagte Schwake hoffnungsvoll. Danach dürfen die Versicherer nur dann unterschiedliche Tarife auf Grund von Merkmalen wie Geschlecht verlangen, wenn sie das statistisch belegen können. Dies könnte den „absurden Zwang“ erzeugen, dass Versicherer in Streitfragen ihre Kalkulationsgrundlagen offen legen müssten. Auch der kritisch beäugte Entwurf für ein neues Versicherungsvertragsgesetz wird von Rot-Grün nicht mehr eingebracht.
In einem Punkt erwarten die Versicherer allerdings noch ein positives Zeichen von der jetzigen Regierung. Finanzminister Hans Eichel soll zustimmen, dass sich der Bund auch nach dem 31. Dezember 2005 mit bis zu 8 Mrd. Euro an möglichen Terrorschäden beteiligt, die über den Spezialversicherer Extremus abgedeckt werden. Schwake erwartet eine baldige positive Entscheidung. „Ohne die Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland hat die Fortsetzung von Extremus keinen Sinn.“
Quelle: Financial Times Deutschland
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