Allianz-Finanzvorstand Paul Achleitner spricht sich für größere Transparenz in der Hedge-Fonds-Branche aus. Bisher seien sie im Gegensatz zu Publikumsfonds kaum Regeln unterworfen. „Auch für Hedge-Fonds sollten Transparenzanforderungen gelten.“ So sollten in Europa nach dem Vorbild USA Meldepflichten für Aktienleihe eingeführt werden, sagte er der FTD.
Achleitner ist aber dagegen, neue Regeln wie etwa eine Einschränkung der Stimmrechte von Hedge-Fonds zu schaffen und damit Fälle wie bei der Deutschen Börse zu verhindern. Dort hatten Hedge-Fonds in einer bisher einmaligen Aktion den Austausch von Vorstands- und Aufsichtsratschef durchgesetzt.
„Wir sollten aus der speziellen Situation bei der Deutschen Börse keine allgemeinen Regeln ableiten“, sagte Achleitner, der mit Werner Seifert, dem Ex-Chef der Börse, befreundet ist. Jegliche Regulierung dürfe kein nationaler Alleingang bleiben. „Wir haben nicht die Glaubwürdigkeit der Londoner City, dass wir das marktkonform machen.“
Nötig sei eine Verständigung zwischen der EU und den USA über diese Frage. Allerdings scheitern Bemühungen der Bundesregierung um eine internationale Regulierung seit Jahren regelmäßig am Widerstand der USA. „Hedge-Fonds sind keine vorübergehende Modeerscheinung“, sagte Achleitner weiter. „Sie haben sich in den vergangenen zehn Jahren zu wichtigen Kapitalmarktteilnehmern entwickelt.“ Allerdings stecke die Branche mitten in ihrer Bereinigung. „Derzeit trennt sich die Spreu vom Weizen.“ In Hedge-Fonds und Private Equity sei sehr viel Geld geflossen. „Die Renditen werden sinken.“ Tatsächlich kämpft die Branche seit Jahresbeginn mit stagnierenden, teils sogar rückläufigen Erträgen.
Die deutsche Wirtschaft sieht der Allianz-Manager in einem Umbruchprozess, in der neue Marktteilnehmer wie Hedge-Fonds eine wichtige Rolle spielten. Deutschland habe jahrzehntelang unter seinen Möglichkeiten gearbeitet. „Zu viele Unternehmen haben in der Illusion zufrieden stellender Leistungsdefizite gelebt, da sie sich nur mit ihrem Vorjahresergebnis und ihren unmittelbaren Konkurrenten verglichen haben, ohne ihr Potenzial voll auszuschöpfen. Das hat der Kapitalmarkt aufgedeckt.“
Achleitner glaubt, dass dies der Grund für die Probleme der deutschen Pharmaindustrie und der Banken sei. Einstige Weltmarktführer wie Bayer gehören international inzwischen nur noch zum Mittelfeld, andere wie Hoechst wurden von internationalen Wettbewerbern übernommen. Die meisten Banken, mit Ausnahme der Deutschen Bank, liefern deutlich schlechtere Gewinnzahlen als ihre internationalen Rivalen – das gilt auch für die Allianz-Tochter Dresdner Bank.
Die Illusion der „zufrieden stellenden Leistungsdefizite“ sei lange dadurch genährt worden, dass die deutsche Wirtschaft wegen der niedrigen Zinsen günstiger Kredite aufnehmen konnte als die europäische Konkurrenz. „Kapital war in Deutschland über Jahrzehnte zu billig“, sagte Achleitner. „Jetzt geht die deutsche Wirtschaft durch ein schmerzvolles Entzugsprogramm.“
In Deutschland werde die Diskussion über den Kapitalmarkt und seine Funktion dadurch erschwert, dass Altersvorsorge und Kapitalmarkt nicht als Einheit betrachtet würden. Die wichtigste, aber am schwersten verständliche Funktion des Kapitalmarkts ist nach Achleitners Ansicht, dass über ihn Risiken transferiert und diversifiziert werden.
Anders als in den USA und vielen europäischen Ländern spielten in Deutschland Pensionsfonds, die die Gelder der künftigen Rentner am Kapitalmarkt anlegen, bisher kaum eine Rolle. „Von den Renditen am Kapitalmarkt profitieren derzeit kalifornische Lehrer und Autoarbeiter aus Michigan, da sie ihr Geld in Pensionsfonds anlegen können“, sagte Achleitner. „Die Deutschen haben diese Chance nicht und leben in der Illusion, dass sie nichts mit dem Kapitalmarkt zu tun haben.“
Das sei auch der Grund, warum sich Beteiligungsgesellschaften (Private Equity) schwer tun. „Wenn auch in Deutschland künftige Rentner an den Erträgen von Private-Equity-Gesellschaften beteiligt wären, würde Private Equity viel besser akzeptiert.“ Die Allianz ist über ihre Tochter Allianz Capital Partners auch der größte deutsche Private-Equity-Investor. Hier sieht Achleitner aber eine baldige Änderung auf den Markt zukommen: „Die deutschen Kapitalsammelstellen werden stärker in Private Equity investieren. Das kommt.“
Auch Achleitner räumt Fehler des Kapitalmarktes ein, insbesondere dessen kurzfristige Orientierung. „Die kurz- und langfristigen Interessen der Aktionäre und Mitarbeiter sind manchmal schwer in Einklang zu bringen.“ Hier sei das Management gefragt, die Marktteilnehmer von seiner langfristigen Strategie zu überzeugen. „Es gibt durchaus Entwicklungen, über die wir uns Gedanken machen müssen.“
Der Kapitalmarkt sorge aber grundsätzlich für die Kontrolle der Unternehmen durch die so genannte Corporate Governance – die, wie sich am Beispiel VW zeigt, allerdings nicht immer funktioniert. Für Achleitner ist VW aber ein Einzelfall. Die Notwendigkeit für neue Regeln sieht er nicht. „Das Thema Corporate Governance ist in Deutschland eher eine Frage der gelebten Praxis, weniger der bestehenden Regeln.“
Quelle: Financial Times Deutschland
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