Wachsender Markt der Altersvorsorge bietet Beratern gute Aufstiegschancen · Einige Finanzvertriebe setzen Mitarbeiter über die Maßen unter Druck
Anja Krüger und Meike Klinck Björn Schütt-Alpen ist erst 43 Jahre alt, aber beschäftigt sich den ganzen Tag mit Altersvorsorge. Seine Leidenschaft sind Betriebsrenten. „Man kann sich nicht vorstellen, mit was für spannenden Menschen man in diesem Beruf zu tun hat“, sagt er.
Schütt-Alpen gehört zu jenen Managern, die mit Altersvorsorge Karriere gemacht haben. Er ist Chef der Beratungsfirma Gerling Pensionsmanagement, einer Tochter des Kölner Versicherers Gerling. Schon seine Diplomarbeit hat der Volkswirt über Renten geschrieben, dann war er beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft für Sozialpolitik zuständig, später Geschäftsführer des größten Branchenversorgungswerks, der Metallrente.
Das Geschäft mit der Altersvorsorge ist ein vielversprechendes Karrierefeld. Verschiedene Bundesregierungen haben die gesetzlichen Rentenleistungen schrittweise herabgesetzt. Im Gegenzug fördert der Staat den Aufbau einer zusätzlichen Altersvorsorge. Für Banken, Investmenthäuser und Versicherer entsteht ein enormes Potenzial. „Dieser dynamische Wachstumsmarkt bietet überdurchschnittliche Chancen für Hochschulabsolventen“, sagt Brigitte Preuß, Personalreferentin beim Marktführer Allianz Leben in Stuttgart. Die Materie Altersvorsorge ist ausgesprochen kompliziert, der Informationsbedarf des Kunden entsprechend hoch.
Deshalb hat das Thema in der Aus- und Weiterbildung der Assekuranz großen Stellenwert. Die Neuordnung der beruflichen Erstausbildung macht im Herbst 2006 aus dem Versicherungskaufmann den Kaufmann für Versicherungen und Finanzen. „In der Fachrichtung Finanzberatung wird ein Pflichtfach der Vorsorge gewidmet sein“, sagt Michael Weyh vom Berufsbildungswerk der Deutschen Versicherungswirtschaft.
Wer als Seiteneinsteiger in die Branche gelangen will, kann sich zum Versicherungsfachmann schulen lassen. Die Versicherungen bieten das meist in ihren eigenen Bildungsstätten an. Auch hier ist die private Rentenversicherung ein Pflichtfach im Theorieteil. Ein zweites heißt betriebliche Altersversorgung. Vertiefend können sich Absolventen zu diesem Thema auch weiterbilden. Die Deutsche Versicherungsakademie hat mittlerweile sogar den Expertenstudiengang „Spezialist Betriebliche Altersversorgung“ im Programm. Die neuen Angebote zeigen: Auch dieses Feld wächst rasant. Denn seit 2002 haben Erwerbstätige einen Rechtsanspruch darauf, von ihrem Bruttoverdienst Geld in einen Vertrag für betriebliche Altersversorgung zu stecken. Für diese Beiträge müssen sie keine Steuern und bis 2008 keine Sozialabgaben zahlen.
Gleichzeitig haben viele Unternehmen Probleme mit den Betriebsrenten, die sie ihrer Belegschaft zugesagt haben. Die Allianz und andere Versicherer wie Gerling haben eigene Beratungsorganisationen ins Leben gerufen. „Unternehmen haben permanenten Beratungsbedarf, weil sich die Rechtslage ständig ändert“, sagt Schütt-Alpen von Gerling. Die Branche braucht vor allem Versicherungsmathematiker, Arbeits- und Sozialrechtler und Berater, die sich mit Betriebsrentensystemen auskennen.
Immer mehr Kunden decken sich allerdings mit Altersvorsorgeverträgen bei Spezialisten ein, die nicht im Dienst eines Unternehmens stehen. „Der Bedarf an unabhängigen Vermittlern wird künftig steigen“, erwartet Johannes Brück vom Institut der Versicherungsmakler. Versicherungsvertreter sind für Unternehmen und in deren Interesse tätig, auch wenn sie für mehrere Gesellschaften Verträge verkaufen. Versicherungsmakler dagegen haben keine festgelegte Verkaufspalette, sondern suchen für den Kunden auf dem Markt geeignete Policen. „Der Versicherungsagent ist Erfüllungsgehilfe des Unternehmens, für das er arbeitet. Der Versicherungsmakler dagegen ist der Bündnisgenosse des Kunden“, sagt Brück. Der Schritt in die Selbstständigkeit ist für Einsteiger in den Maklerberuf schwieriger als für Versicherungsvertreter. Unabhängige Makler müssen einen guten Marktüberblick haben und brauchen beste Kontakte. „Von null auf hundert, das funktioniert bei Berufseinsteigern nicht“, sagt Brück.
Finanzvertriebe wie AWD oder MLP locken dagegen mit der Aussicht auf eine schnelle Karriere. Sie haben feste Verträge mit einer Reihe von Anbietern, verstehen sich aber trotzdem als unabhängige Finanzberater. „Wir haben eine große Produktvielfalt und suchen für den Kunden eine auf ihn zugeschnittene Lösung“, sagt MLP-Sprecher Christian Maertin. Der Finanzvertrieb ist auf Akademiker spezialisiert. Mehr als 2500 Vertreter, vor allem Hochschulabsolventen, verkaufen Verträge für das Unternehmen. „Wir wollen, dass unsere Zielgruppe aus der Zielgruppe selbst beraten wird“, erzählt Maertin. Die Vertreter arbeiten freiberuflich und können im Außendienst bis zum Geschäftsstellenleiter aufsteigen. Wer besonders gut ist, kann bis ins Management in der Heidelberger Zentrale gelangen. Zwei Vorstandsmitglieder von MLP haben es auf diesem Weg bis in die oberste Führungsetage geschafft – das ist aber die Ausnahme.
MLP braucht viele Vertreter, weil die Fluktuation sehr hoch ist. Die Gewerkschaft Verdi betrachtet die Finanzvertriebe mit großer Skepsis. „Da passiert Dramatisches hinter Hochglanzfassaden“, erzählt Rainer Klein, Versicherungsexperte bei Verdi in Köln. „Bei manchen Finanzvertrieben sind die Mitarbeiter mit Knebelverträgen gebunden.“
Zitat:
„Der Markt bietet überdurchschnittliche Chancen für Hochschulabsolventen“ – Brigitte Preuß, Personalerin bei Allianz Leben
Bild(er):
Mit einer Wette gegen das britische Pfund häufte der gebürtige Ungar George Soros 1992 ein Vermögen an. Auch das Altersvorsorgegeschäft ist lukrativ: als Karrierefeld für Berater – Picture-Alliance/dpa/Jonas Ekströmer
Quelle: Financial Times Deutschland
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