Gründern fehlt oft frisches Geld, doch Branchengrößen verdienen gut

Rund 40 Biotech-Unternehmen machen hier mehr als die Hälfte des deutschen Branchenumsatzes

Auf einen Schlag 130 000 $ und Folgeaufträge über Jahre hätte der Auftrag aus den USA der Düsseldorfer Biotechnologiefirma X-Zyme gebracht. Doch Jungunternehmer Shukry Na’amnieh konnte den Auftrag nicht annehmen. Weder die Sparkasse Düsseldorf noch Investmentgesellschaften waren bereit, ihm das Geld für die erforderliche Maschine zu leihen. „Das war wirklich eine große Niederlage“, sagt der 35-Jährige. „Wenn das geklappt hätte, wären wir heute viel weiter.“ Doch von so einer Erfahrung lässt Na’amnieh sich nicht entmutigen. Das hat er mit der Branche gemein.

Die Biotechnologie gehört zu den großen Hoffnungsträgern. Patienten versprechen sich von ihr innovative Medikamente zur Heilung von Krankheiten, Hersteller effektivere und billigere Produktionsverfahren. Unternehmensgründer und Investoren setzen hohe Erwartungen in die Marktchancen der Neuheiten.

Düsseldorf gilt als Brutstätte der wirtschaftlich genutzten Biotechnologie in Deutschland. In den 80er Jahren entstanden hier die ersten Firmen der Branche: zum Beipsiel Qiagen, Rhein Biotech oder Cardion. Rund 40 der bundesweit etwa 360 Biotechnologieunternehmen haben sich in Düsseldorf und Nachbarstädten wie Hilden oder Neuss angesiedelt. Nach Angaben des Amts für Wirtschaftsförderung erwirtschaften sie mit mehr als 1 Mrd. Euro jährlich über als die Hälfte des Umsatzes aller deutschen Biotechunternehmen.

Noch vor fünf Jahren schwamm die Branche buchstäblich im Geld. Banken und Investoren, die für mögliche hohe Gewinne große Risiken in Kauf nahmen, steckten ansehnliche Summen in junge Firmen. Mit der Kapitalmarktkrise nach dem 11. September 2001 war es damit vorbei, die Branche bekam kaum noch frisches Geld. Gründer von Biotechnologiefirmen hatten es auch in Düsseldorf ungeheuer schwer.

Shukry Na’amnieh hat sich davon nicht abhalten lassen. Parallel zu seiner Promotion an der Universität Düsseldorf nahm er 2002 am Start-up-Wettbewerb teil und gewann mit seinem Business-Plan für die Entwicklung und Herstellung von Biokatalysatoren. Das sind Enzyme, die chemische Reaktionen ermöglichen oder erleichtern. „Ich musste das Unternehmen gründen, weil ich das Preisgeld von 20 000 Mark haben wollte“, berichtet er. Heute hat X-Zyme insgesamt drei Gesellschafter, sechs Angestellte und zwei freie Mitarbeiter. „Wir suchen Enzyme aus Pflanzen, Bakterien oder Hefe und prüfen, ob sie als Biokatalysatoren geeignet sind“, erklärt er. Dabei übernimmt das Unternehmen Auftragsforschung für mehrere Pharmafirmen und produziert Biokatalysatoren, die für die Herstellung von Wirkstoffen für Medikamente oder Kosmetik erforderlich sind. Jetzt interessieren sich auch Risikokapitalgesellschaften für die Firma. Unternehmer Na’amnieh will keine Umsatzzahlen nennen, weil er gerade mit einem großen Geldgeber über eine Unternehmensbeteiligung verhandelt.

X-Zyme war der erste Mieter im Düsseldorfer Life Science Center. Mit dem 2002 eröffneten Technologiezentrum wollen die Stadt und die Stadtsparkasse Düsseldorf die junge Branche fördern. Der Begriff Life Science umfasst Unternehmen, die in der Bio- oder Gentechnik, Bioinformatik, Biopharmazie, Biomedizin oder Medizintechnik tätig sind. Mittlerweile sind 30 Unternehmen eingezogen. „26 sind originäre Biotechnologieunternehmen“, sagt Geschäftsführer Thomas Heck. Im Zentrum können sie Büroräume und Labore mieten, die den für die Bio- und Gentechnologie geltenden enorm hohen Sicherheitsanforderungen genügen.

Doch geeignete Räume zu finden ist für junge Firmen nicht das Problem. Die größte Hürde ist die Anschubfinanzierung „Ich würde mir wünschen, dass die Landesregierung einen Life-Science-Fonds auflegt, der angehenden Gründern Startkapital gibt“, sagt Heck. Haben die Firmen die Anfangsphase überstanden, sind Banken und Investmentgesellschaften eher bereit, Kredite zu bewilligen oder Anteile zu kaufen.

Die Firma X-Zyme musste zunächst ohne Fremdkapital auskommen und konnte sich nur über Wasser halten, weil sie von Anfang an Umsätze erwirtschaftete. „Viele Biotechnologieunternehmen erledigen Auftragsforschung für Pharma-oder Chemiekonzerne oder sind als Zulieferer tätig“, berichtet Heck. Sie profitieren davon, dass in der Region große Unternehmen wie Degussa, Henkel oder Schwarz Pharma sitzen.

Das Life Science Center befindet sich in unmittelbarer Nähe zur Düsseldorfer Universität. Die Hochschule spielt bei der Entwicklung der Biotechnologie in Düsseldorf eine Schlüsselrolle. Die Firma Qiagen, mit einem Umsatz von 380 Mio. $ im Jahr 2004 größtes deutsches Biotechnologieunternehmen, wurde von Doktoranden der Hochschule gegründet.

Qiagen beliefert Forschungslabore unter anderem mit Produkten zur Reinigung von genetischem Material, die etwa bei Vaterschaftstest eingesetzt werden. Das Unternehmen beschäftigt in Düsseldorfs Nachbarstadt Hilden 750 Mitarbeiter. Die Nähe zu Düsseldorf, vor allem zur Universität sei ausgesprochen wichtig, sagt Sprecherin Solveig Mähler. „Wir haben eine Reihe von Kooperationen wie gemeinsame Forschungsgruppen“, sagt Mähler. Ein weiterer Vorteil sei, dass dank der Hochschule in der Region ein Pool von hoch qualifizierten Mitarbeitern zur Verfügung steht: „Wir sind ein sehr forschungsgetriebenes Unternehmen, das gerne auf junge Wissenschaftler zurückgreift.“

Zitat:

„Viele Biotech-Unternehmen erledigen Auftragsforschung“ – Thomas Heck, Life Science Center

Bild(er):

Biologe Uwe Oellmüller ist Direktor der Abteilung Forschung und Entwicklung bei Qiagen, dem größten deutschen Biotech-Unternehmen – Bilderberg/Stefan Enders

Anja Krüger

Quelle: Financial Times Deutschland

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