Herbert Fromme Zwölf Jahre nach der Liberalisierung des deutschen Versicherungsmarktes sind die Zeichen unübersehbar: Sie signalisieren Re-Regulierung. Ob das die engen Vorschriften für Risikoübernahme und Kapitalanlage in den geplanten Solvency-II-Vorschriften sind, die EU-Vermittlerrichtlinie oder der Entwurf des Versicherungsvertragsgesetzes – Parteien, Regierungen und Behörden von Brüssel bis Berlin wollen ihren kontrollierenden Einfluss auf die Versicherungswirtschaft wieder ausbauen.
Eigentlich darf das die Branche nicht wundern. Die Versicherungswirtschaft hat in gewisser Weise die Politik dazu eingeladen. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht Versicherungsmanager oder branchennahe Professoren das Ende der staatlichen Sozialsysteme und ihre (Teil)-Ersetzung durch private Vorsorge fordern. Wer sich so aggressiv als das bessere Sozialsystem darstellt, darf nicht überrascht sein, wenn die Politiker ihre Regelungswut auf die privaten Anbieter ausdehnen.
Ein schlagendes Beispiel liefern die privaten Krankenversicherer. An zahllosen parlamentarischen Abenden, in Hintergrundgesprächen und auf Pressekonferenzen erläuterten die Chefs führender Gesellschaften, warum die gesetzliche Krankenversicherung eigentlich pleite sei und als System nicht überleben könne. Das ging so lange, bis SPD und CDU unabhängig voneinander die Warnungen ernst nahmen und große Reformmodelle für die Krankenversicherung entwickelten. Leider laufen beide Vorschläge auch darauf hinaus, die private Krankenversicherung in ihrer bisherigen Form abzuschaffen. Es ist fast rührend, wie die Branche jetzt verzweifelt versucht, sich als Advokat des Status quo hinzustellen, also des dualen Modells von gesetzlicher und privater Krankenversicherung.
Die Assekuranz muss sich entscheiden. Entweder tritt sie als Branche auf, die Geld verdienen will und deshalb sinnvolle Vorsorge- und Absicherungslösungen für ihre Kunden anbietet. Oder sie geriert sich als die überlegene sozialpolitische Instanz. Der Preis für den zweiten Weg ist hoch.
Herbert Fromme ist Versicherungskorrespondent der FTD.
E-Mail fromme.herbert@ftd.de
Quelle: Financial Times Deutschland
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