Gesamtverband plant Beschwerdeverfahren wegen Verstoß gegen Rating-Kodex · Schwere Vorwürfe
Von Herbert Fromme, Köln Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) plant nach Informationen der FTD ein formales Beschwerdeverfahren gegen die britische Ratingagentur Fitch. Die Versicherer werfen der Agentur vor, gegen den Verhaltenskodex für Ratingagenturen zu verstoßen, den die internationale Vereinigung der Finanzaufseher, die International Organisation of Securities Commissions (IOSCO), aufgestellt hat.
Fitch steht zurzeit in Deutschland ohnehin in der Kritik. Die WestLB hatte Anfang Februar die Zusammenarbeit mit der Agentur aufgekündigt. Grund war eine Stellungnahme des Fitch-Analysten Thomas von Lüpke vor dem Haushalts- und Finanzausschuss im nordrhein-westfälischen Landtag, in der er sich skeptisch über die Nachhaltigkeit der Profitabilität der WestLB geäußert hatte. Damit habe Fitch nach Ansicht der Bank gegen die eigenen Verhaltensregeln verstoßen, da die Äußerung den aktuellen Rating-Reports über die WestLB widersprochen hätten.
In einem Gespräch mit führenden Fitch-Mitarbeitern habe die Agentur „keinerlei echte Angebote für weitere Veränderungen“ ihres Verhaltens gemacht, heißt es in einem internen Schreiben des GDV an Mitgliedsunternehmen, das der FTD vorliegt. Die Versicherer stört vor allem, dass die Agentur Ratings, die ohne Auftrag vorgenommen wurden, nicht entsprechend gekennzeichnet haben soll. So habe Fitch mehrfach in Übersichten über Versicherer, die in Zeitschriften nachgedruckt wurden, behauptet, die Allianz habe ein interaktives – und damit bezahltes – Fitch-Rating. „Das trifft aber nicht zu“, sagte ein Manager. Auch sollen unfreiwillig bewertete Unternehmen zu spät von dem Rating unterrichtet worden sein. Neben der Beschwerde will der GDV „Material zu den sonstigen Mängeln im deutschen Marktauftritt“ sammeln. Der GDV wirft Fitch vor, dass sich in den Berichten der Agentur zur deutschen Lebensversicherung gravierende handwerkliche Mängel finden.
Die Versicherer vermuten, dass die Ratingagentur mit ihrem vergleichsweise aggressiven Auftritt mehr Unternehmen dazu bringen will, Verträge für bezahlte Bonitätseinschätzungen abzuschließen. Die Ratings kosten 40 000 Euro bis 50 000 Euro pro Jahr und beruhen auf Hintergrundgesprächen mit dem Management sowie internen Informationen. Fitch wollte sich nicht zu den Vorwürfen äußern. Die Sache liege in der Hand der Londoner Zentrale, sagte Deutschland-Geschäftsführer Jens Schmidt-Bürgel.
Die formale Beschwerde wird der GDV unter den IOSCO-Regeln bei der Ratingagentur selbst erheben, da es keinerlei nationale oder internationale Aufsicht über die Agenturen gibt. Der Schritt setzt Fitch trotzdem kräftig unter Druck. Das Unternehmen muss nach dem Kodex sein Verhalten öffentlich rechtfertigen und, sofern Abweichungen vom Regelwerk gefunden werden, sofort Abhilfe schaffen.
Auch dem Marketing der Agentur schadet eine solche Beschwerde. Hinzu kommt, dass sowohl in Finanzkreisen als auch von Politikern regelmäßig die Einführung einer Aufsicht über Ratingagenturen gefordert wird. Bisher hat sich die EU gegen eine gesetzliche Regelung ausgesprochen und auf den IOSCO-Kodex verwiesen. Beschwerden wie die des GDV stärken die Seite der Regulierungs-Befürworter.
Der Streit zwischen den Versicherern und Fitch köchelt schon seit mehr als einem Jahr. Im Dezember 2004 hatte die Agentur angekündigt, ungefragt fast alle deutschen Lebensversicherer auf der Grundlage öffentlich zugänglicher Informationen zu bewerten. Das löste große Unruhe im Markt aus.
Für Versicherer hat ein Rating eine existenzielle Bedeutung: Da sie hohe Risiken übernehmen und oft langfristige Verträge abschließen, sind schlechte Ratings für den Verkauf äußerst schädlich. So achten Versicherungsmakler genau auf die Bewertungen. Empfehlen sie ihren Kunden Versicherer mit schlechten Ratings, machen sie sich möglicherweise haftbar, sollte diese in Schwierigkeiten kommen.
Nach ersten Protesten stimmte Fitch zu, auch vertrauliche Informationen der Unternehmen einzubeziehen. Die „Quantitativen Finanzstärke-Ratings“ (Q-Ratings) wurden im März veröffentlicht.
Die Versicherer werfen Fitch grobe handwerkliche Mängel bei der Beurteilung vor. Fitch gebe den Versicherern die „inakzeptable Alternative“, entweder vertrauliche Informationen offen zu legen oder ein schlechteres Q-Rating zu riskieren. „Da der einzige Ausweg aus diesem von Fitch geschaffenen künstlichen Dilemma der Kauf (und die Bezahlung) eines vollen interaktiven Ratings ist, kann man den ganzen Vorgang als den unglaublichen Versuch durch Fitch betrachten, in Deutschland Geschäft zu gewinnen“, hatte der GDV geklagt.
Bild(er):
Auf in den Kampf: Die deutsche Versicherungswirtschaft und die Ratingagentur Fitch gehen auf einander los (FTD-Montage) – Imago/Oliver Hardt; FTD-Montage
Quelle: Financial Times Deutschland
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