Versicherer benötigen ganzheitliches Risikomanagement · Große Anbieter profitieren
Von Herbert Fromme, Köln Die Rating-Agentur Standard & Poor’s (S&P) wird im Laufe des Jahres 2006 ein neues Modell zur Bewertung des ganzheitlichen Risikomanagements bei Versicherern einführen. Für große Versicherer und Rückversicherer wie Allianz und Münchener Rück, die ein entwickeltes Risikomanagement haben, wird sich die Bewertung des „Enterprise Risk Managements“ (ERM) positiv auswirken. „Solche Unternehmen benötigen künftig möglicherweise weniger Kapital für dasselbe Rating“, sagte Rob Jones von Standard & Poor’s im FTD-Interview. Jones ist weltweit für die Beurteilung von Rückversicherern zuständig. Die Veränderungen bei S&P seien auch auf „langjährige Diskussionen mit der Münchener Rück“ zurückzuführen, sagte Jones.
Die Bewertungen durch Rating-Agenturen sind für große Versicherer, die viel Geschäft mit der Industrie oder über Großmakler machen, als Ausweis ihrer Kapitalkraft lebensnotwendig. Sie bieten ihren Kunden Schutz vor dem finanziellen Zusammenbruch, wenn es zu einem Großfeuer, einem Sturm oder einem Milliarden-Haftpflichtschaden kommt. Da ist die finanzielle Stärke des Versicherers entscheidend. Noch mehr gilt das für die Rückversicherer, die Großhändler des Risikoschutzes. Ihre Kunden sind die Versicherer selbst, die sich gegen Spitzenrisiken abdecken. Ein Rückversicherer mit einem schlechten Rating hat kaum Chancen auf Geschäft. Neben Standard & Poor’s sind Moody’s, Fitch, AM Best und Assekurata auf dem deutschen Markt tätig.
Mit dem Enterprise Risk Management will S&P künftig die Risiken eines Unternehmens in der Gesamtsicht bewerten. „Wir schauen schon jetzt auf die Risiken, zum Beispiel die Versicherungsrisiken oder die Kapitalanlagerisiken“, sagte Jones. Auch die Managementqualität werde schon bewertet. Neu sei, das dies alles in eine ERM-Bewertung zusammengefasst werde, die über fünf Stufen von „schwach“ bis „ausgezeichnet“ reicht. „Einige Unternehmen bewerten Risiken isoliert“, sagte S&P-Analyst Wolfgang Rief. „Da kann es passieren, dass die Gesellschaft ein Chemieunternehmen gegen Katastrophen versichert und gleichzeitig in seinen Kapitalanlagen überdurchschnittlich viele Aktien dieses Unternehmens hat.“ Im Schadenfall leide der Versicherer zweifach.
In der Branche besteht Handlungsbedarf. Standard & Poor’s hat den Bewertungsprozess bei 26 internationalen Versicherern testweise durchgeführt. Davon waren nur zwei Gesellschaften „ausgezeichnet“, acht „stark“, 13 „ausreichend“ und zwei „schwach“.
Die Neubewertung geht Hand in Hand mit der geänderten Risikosicht durch die von der Aufsicht eingeführten Bewertungsregeln unter Solvency II. Große Unternehmen mit einem diversifizierten Geschäft hätten es künftig leichter, sagte Jones. „Mittelgroße Anbieter mit Produkten, die alle haben, werden es künftig deutlich schwerer haben.“
Quelle: Financial Times Deutschland
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