Kopfbahnhof bekommt Hand und Fuß

Der Frankfurter Hauptbahnhof bewältigt deutschlandweit das größte Aufkommen an Zugreisenden. Zurzeit wird das historische Gebäude renoviert – und der Fahrgastverband pro Bahn lobt das Ergebnis

VON Katrin Berkenkopf An diesem Morgen findet selbst der ortskundige Handwerker den Weg nicht mehr. Mit hilflosem Blick, den Lieferschein in der Hand, steuert er den Auskunftsschalter der Bahn an. Das Plakat nebenan lässt vermuten, dass heute noch mehr Menschen Orientierungshilfe brauchen werden: „Der beste Ausweg ist der Umweg“, verkündet dort Bahn-Maskottchen Max Maulwurf mit Hinweis auf die Bauarbeiten im Frankfurter Hauptbahnhof. Diese laufen auf Hochtouren, zum Start der Fußball-Weltmeisterschaft im Juni soll der Großteil fertig sein.

Der Hauptbahnhof kann schon jetzt mit zahlreichen Superlativen aufwarten: Er ist zwar schon lange nicht mehr der größte deutsche Bahnhof – das war er nur bis zum Bau des Leipziger Hauptbahnhofs 1915 – aber der verkehrsreichste. 350 000 Passagiere steigen hier Tag für Tag ein, aus und um. Täglich gibt es rund 800 Zugabfahrten in den drei Hallen, die über 25 Gleise verfügen. Hinzu kommen 1200 S-Bahn- und U-Bahn-Fahrten auf der Tiefebene unter dem Fernbahnhof.

Wenn Torsten Sälinger über die Arbeiten am Bahnhof spricht, gerät er ins Schwärmen. Sälinger ist Pressesprecher der Deutschen Bahn für Hessen, und von der Erneuerung der Hallendächer ist er besonders angetan: Rund 4500 Tonnen Stahl seien bei der Instandsetzung des Daches der ältesten, zentralen Halle aus dem Jahr 1888 ausgetauscht worden, sagt er. Dabei kamen über eine Million Nietenkopfschrauben zum Einsatz, die die ursprüngliche Nietenoptik des Hallendaches erhalten haben.

Durch das Dach der drei Hallen fällt nach der Sanierung, die bereits im vergangenen Jahr abgeschlossen wurde, viel mehr Licht als vorher. Nach dem Zweiten Weltkrieg war ein Teil der ursprünglichen Verglasung einfach mit Holz zugenagelt worden. Erst jetzt stellte die Deutsche Bahn den Originalzustand wieder her. So fällt es plötzlich auch auf, dass auf den Prellböcken am Ende jedes Gleises bunt bepflanzte Blumenkästen stehen. „Die werden je nach Jahreszeit dekoriert“, sagt Sälinger.

Zu wenig Auskunftschalter besetzt

Die Blumen lobt der Fahrgastverband Pro Bahn ausdrücklich. Und auch sonst hat Pro-Bahn-Sprecher Martin Schmidt wenig zu meckern: „Der Bahnhof ist vorbildlich renoviert.“ Sicher und sauber sei es nun im Gebäude. Auch die Umgebung des Bahnhofes sei einladender als vor der Sanierung. Der ADAC hat schon seit längerem Gefallen am Frankfurter Hauptbahnhof gefunden. Er gab ihm 2002 als einzigem von 23 untersuchten Bahnhöfen in Europa die Note „sehr gut“.

Ein bisschen Kritik kommt aber doch noch von Schmidt. „Es gibt kaum noch Gepäckwagen. Die sind alle geklaut und stehen jetzt in den Hinterhöfen der Frankfurter Hotels“, sagt er. Außerdem seien meist zu wenige Schalter im Reisezentrum der Deutschen Bahn besetzt. Die Bahn wolle die Kunden zwingen, die aufgestellten Automaten für den Ticketkauf zu nutzen, aber das wollten und könnten nicht alle Fahrgäste. „Ausdrücklich lobe ich aber die Leute an den Auslandsschaltern, die sind wirklich fit“, sagt Schmidt. Da gebe es auch einen richtigen Bahn-Freak: „Der erklärt den Reisenden, wie sie mit nur zwei Mal Umsteigen nach Sarajevo kommen.“

Damit Fußballfans aus dem Ausland, die während der Weltmeisterschaft nach Frankfurt kommen, auch gleich wissen, wo es lang geht, lassen sich die neuen digitalen Anzeigetafeln – auf Bahn-Deutsch heißen sie Fahrgastinformationsanlagen – so programmieren, dass sie Hinweise in verschiedenen Sprachen geben können. „Das ist unheimlich praktisch“, sagt Bahn-Sprecher Sälinger. Kulinarisch könne sich sowieso jeder Gast im Bahnhof gleich zu Hause fühlen. In den neuen Pavillons gäbe es schließlich alles von deutschem Nordseefisch bis hin zu fernöstlichem Sushi.

Nach der WM gehen die Arbeiten aber gleich weiter. „Ein Bahnhof ist nie fertig, er lebt“, sagt Sälinger. Erst Ende des Jahres wird zum Beispiel chinesischer Granit den bisherigen Bodenbelag im Bahnhof komplett ersetzt haben.

Schon im vergangenen November hat in Sichtweite der Bahnhofshallen das neue elektronische Stellwerk seinen Betrieb aufgenommen. Treten Störungen zum Beispiel an einer Weiche auf, bietet der Computer dem Fahrdienstleiter jetzt automatisch Alternativen an.

Auch die Einfahrtgeschwindigkeit der Züge hat sich dadurch verdoppelt, die letzten Kilometer können sie jetzt mit 60 statt der bisherigen 30 Stundenkilometer zurücklegen. In der Organisation des Gleisvorfeldes könne trotzdem noch einiges getan werden, um die Fahrzeiten weiter zu beschleunigen, sagt Pro-Bahn-Sprecher Schmidt.

Doch selbst die modernste Technik wird das größte Problem in den Betriebsabläufen des Frankfurter Hauptbahnhofs nicht lösen können: Er ist ein Kopfbahnhof, also eine Sackgasse, aus der die Züge zunächst in die Richtung zurückfahren müssen, aus der sie gekommen sind. Bei so genannten lokbespannten Zügen bedeutet das, dass eine neue Lok am anderen Ende angekoppelt werden muss. Das kostet Zeit. Bei Zügen, die nicht in Frankfurt enden, ist der Aufenthalt immer länger als in anderen deutschen Bahnhöfen sonst üblich.

Schon oft gab es Überlegungen, wie Frankfurt zu einem Durchgangsbahnhof umgestaltet werden könnte, um die Fahrzeit um bis zu zehn Minuten zu verkürzen. Der bislang letzte Versuch war das Projekt „Frankfurt 21“, das die Gleise in den Untergrund verlagern wollte. Das dadurch freiwerdende große Gleisvorfeld des Bahnhofs hätte Platz für ein neues Stadtviertel geboten. Der Plan scheiterte aber an den hohen Kosten.

Bild(er):

Eine Rangierlok und ein Regionalzug auf dem weit verzweigten Schienennetz vor dem Frankfurter Hauptbahnhof: Ein elektronisches Stellwerk weist ihnen den Weg – Zenit/Laif/Paul Langrock; picture alliance/dpa

 

Quelle: Financial Times Deutschland

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