Betrogener Betrügerjäger

Jochen Sanio, Präsident der Finanzaufsicht BaFin, erhält Dämpfer beim Umbau der Behörde

Die Betrugsaffäre in der eigenen IT-Abteilung ärgert ihn furchtbar. Jochen Sanio, streitbarer Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), will eine moderne Behörde, die das Ärmelschonerimage der Vergangenheit abgeschüttelt hat, größtmöglichen Schutz für Anleger bringt, aber die Finanzbranchen nicht behindert.

Da ist die Leichtigkeit, mit der sich ein Gruppenleiter aus dem IT-Budget schamlos selbst bereichern konnte, ein schwerer Schlag. Er unterstand direkt der BaFin-Leitung, also Vizepräsident Karl-Burkhard Caspari und Sanio selbst. Zwar wird niemand den Rücktritt der BaFin-Spitze fordern, aber leichter wird ihr Leben nicht.

Eine Behörde, die Banken und Versicherern peinlich genau vorschreibt, welche Sicherheitsmaßnahmen sie bei ihren Kapitalanlagen anwenden müssen, die beim leisesten Verdacht von Kursmanipulation und Insiderhandel eingreifen muss, lässt sich von einem Mitarbeiter – zugegeben mit hoher krimineller Energie – über fast drei Jahre aufs Kreuz legen. Das wird zu mehr interner Kontrolle und wahrscheinlich auch mehr Bürokratie führen, nicht gerade das, was Sanio sich für die BaFin wünscht. Den Haushalt für die rasch wachsende Behörde aufzustellen wird ebenfalls nicht einfacher. Das Spardiktat der Politiker macht auch vor der BaFin nicht Halt, selbst wenn das dem Staat keinen Cent einbringt. Die Einrichtung wird ausschließlich von den Unternehmen finanziert, die es beaufsichtigt.

„Diese Institution wird beißen, solange ich hier Präsident bin“, sagte Sanio im Juni 2003, rund ein Jahr nach Gründung der BaFin. Das war nicht nur eine Drohung – auch die hartleibigsten Gegner von enger Finanzaufsicht haben inzwischen erkannt, dass eine effektive Aufsichtsbehörde ein Plus für den Finanzplatz Deutschland bedeutet. Beispiel Rückversicherung: Jahrzehntelang war sie ohne direkte Aufsicht. Das machte das Geschäft für deutsche Rückversicherer im Ausland zunehmend schwieriger. Jetzt ist auch für sie die BaFin zuständig, die Gesellschaften können ihren internationalen Kunden erklären, dass eine renommierte Behörde über die Solidität des Geschäftspartners wacht.

Sanio gilt bei seinen Mitarbeitern als fordernder, anspruchsvoller Chef. Gelegentlich neigt der 59-jährige Jurist zur Pedanterie. Dass er trotzdem in der Behörde beliebt ist, liegt an dem gewaltigen Modernisierungsschub, den er ihr verpasst hat. Bei öffentlichen Auftritten liebt er klare Worte. Das kommt bei der Presse gut an, aber auch bei den Unternehmen, die wissen, woran sie sind.

Die BaFin mit Doppelsitz in Bonn und Frankfurt wurde 2002 aus den Aufsichtsbehörden von Kreditwesen, Versicherung und Wertpapierhandel gebildet. Sanio arbeitete seit 1974 beim Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen und war zuletzt sein Präsident. Es spricht für ihn, dass er sich in nur kurzer Zeit auch bei den Versicherern und in der Wertpapierbranche Respekt verschafft hat. Herbert Fromme

Quelle: Financial Times Deutschland

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