Die Bundesregierung willmit der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes Rechte der Kunden stärken. Verbraucherschützer bemängeln die Umsetzung
Von Herbert Fromme und Anja Krüger, Köln V or den Ferien in der Türkei hat der Kunde extra über einen Vertreter eine Vollkaskoversicherung für sein Auto abgeschlossen. Als es aber zum Unfall kommt, zahlt der Versicherer nicht, weil die Police nur für den EU-Raum gilt. Der Kunde geht leer aus – auch wenn der Fehler beim Vermittler liegt, der nicht gezielt nach dem Urlaubsland gefragt hat. In Zukunft wird der Vermittler für seinen Fehler haften müssen.
Die Bundesregierung weitet mit der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) und der Umsetzung der EU-Vermittlerrichtlinie die Informationspflichten aus. Künftig müssen Vermittler Kunden eingehend beraten und eine Berufshaftpflicht für den Fall eines Fehlers abschließen. „Das wird den Trend zum Beratungsverkauf von Versicherungsprodukten fördern“, sagt Michael Westkamp, Vorstandsvorsitzender der Aachener und Münchener Versicherungen. „Für die Branche insgesamt heißt das: mehr Transparenz und ein höheres Ansehen der Vermittler beim Kunden.“
Das sehen Verbraucherschützer anders. Sie fürchten, dass die Beratungspflicht ausgehebelt wird. Künftig müssen Vermittler die Kundenangaben und Gründe für den erteilten Rat in einem Protokoll dokumentieren. Versicherer werden dafür Formulare zur Verfügung stellen. Kunden können aber auf Beratung und damit auf Haftungsansprüche verzichten – mit der Unterschrift auf einem Vordruck. Lilo Blunck vom Bund der Versicherten fürchtet, dass dadurch die Beratungspflicht zur Farce wird. „Wenn jemand auf die Beratung verzichtet, sollten die individuellen Gründe ausführlich angegeben werden müssen“, fordert sie. Bei Verträgen mit existenzieller Bedeutung wie der Altersvorsorge oder Krankenversicherung dürfe ein Verzicht auf Beratung nicht möglich sein.
Bei den neuen Pflichten unterscheidet die Regierung nicht zwischen Privat- und Geschäftskunden. „Diese Differenzierung wäre aber sinnvoll“, sagt André Molter, Syndikus beim Verband Deutscher Versicherungsmakler. Firmen und Vermittler stünden in ständigem Austausch. Zusätzliche Protokolle über jede Police führten zu Mehraufwand.
Vor Vertragsabschluss müssen Versicherer künftig die Kosten für Vermittlung und Verwaltung ausweisen. Auch das geht Verbraucherschützerin Blunck nicht weit genug. „Der Kunde muss eine Aufschlüsselung bekommen, welcher Anteil seines Beitrags auf den Risikoschutz, auf Kosten und auf den Sparanteil entfällt“, fordert sie. Auf erbitterten Widerstand der Assekuranz stößt der Plan der Regierung, die vorvertragliche Anzeigepflicht des Kunden zu mildern. Wichtig ist das etwa bei der Berufsunfähigkeitsversicherung. Informiert der Kunde den Anbieter nicht über eine Vorerkrankung, kann das Unternehmen mit Hinweis darauf nach Eintritt der Berufsunfähigkeit die Zahlung verweigern und vom Vertrag zurücktreten – auch wenn der Kunde nicht nach dieser spezifischen Vorerkrankung gefragt wurde und sich über deren Bedeutung nicht im Klaren war.
Künftig müssen Versicherer Auskünfte gezielt einholen. „Das Rücktrittsrecht des Versicherers wird derart eingeschränkt, dass es nur noch im Ausnahmefall gegeben sein dürfte“, kritisiert der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Damit werde das Informationsgleichgewicht zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer aufgehoben. Verbraucherschützerin Blunck ist überzeugt, dass dieses Gleichgewicht erst noch hergestellt werden muss: „Kunden und Versicherer müssen auf gleicher Augenhöhe sein. Das sind sie zurzeit nicht.“
www.ftd.de/assekuranz-reform
Quelle: Financial Times Deutschland
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