Höhere Krankenkassenbeiträge ab 2007 · Arbeitgeber und Gewerkschaften lehnen Koalitionsplan ab
VON Ulrike Sosalla, Birgit Jennen, Berlin, und Ilse Schlingensiepen, Köln Die große Koalition ist mit ihrem Kompromiss zur Gesundheitsreform auf breite Ablehnung gestoßen. Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften sowie die Oppositionsparteien FDP, Grüne und Linkspartei bezweifelten den Sinn des Plans. Die Reform gilt als eines der wichtigsten Projekte der Koalition.
Selbst innerhalb der Koalition gab es Kritik. Der Thüringer SPD-Politiker Christoph Matschie bemängelte, der Einstieg in die Steuerfinanzierung sei zu gering ausgefallen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) rügte die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge im nächsten Jahr.
Die Spitzen von Union und SPD hatten am Montagmorgen Eckpunkte ihrer Einigung verkündet. Vorausgegangen war ein monatelanger, oft öffentlicher Streit mit zum Teil unvereinbaren Positionen. Nach dem Kompromiss sollen die Krankenkassenbeiträge Anfang 2007 zunächst um 0,5 Prozentpunkte steigen. Ab 2008 wird die Finanzierung der Krankenkassen umgestellt auf einen Gesundheitsfonds. Die Beiträge werden auf dem erhöhten Niveau eingefroren. In den Fonds zahlen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ihre Beiträge ein – die Kassen erhalten daraus Pauschalen. Kommen sie mit dem Geld nicht aus, können sie einen Zusatzbeitrag erheben.
Die Pläne entfernen sich weit von den ursprünglichen Ankündigungen der Koalition. Die beabsichtigte Senkung der Arbeitskosten entfällt völlig. Denn die Beitragssätze der Krankenkassen würden voraussichtlich nicht einmal dann sinken, wenn der Steuerzuschuss aus Bundesmitteln wie geplant innerhalb von zehn Jahren auf 16 Mrd. Euro steigt, hieß es gestern in Koalitionskreisen.
Während die Präsidien von CDU und CSU den Kompromiss nahezu geräuschlos absegneten, war die Kritik in der SPD deutlicher. Generalsekretär Hubertus Heil bezeichnete das Ergebnis zwar als Punktsieg von „acht zu zwei“ für die SPD. In Teilen der Partei wurde dem jedoch widersprochen. „Die Ergebnisse sind schwer zu verdauen“, sagte die linke SPD-Abgeordnete Andrea Nahles. Im 44 Köpfe starken SPD-Vorstand gab es zwei Gegenstimmen und fünf Enthaltungen. Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte vor Beginn der Präsidiumssitzung ihrer Partei das Ergebnis „einen Durchbruch“. Es sei „ein guter Tag für Versicherte“.
Scharfe Kritik äußerte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt. Die Beschlüsse stünden „dem Ziel, durch die Absenkung von Lohnzusatzkosten Wachstum und Beschäftigung zu fördern, diametral entgegen“, sagte er. Der Verband der privaten Krankenversicherung (PKV) erwägt eine Klage: Zwar bleibe der Charakter als Vollversicherung erhalten, sagte Verbandsdirektor Volker Leienbach. „Gleichzeitig werden uns viele Kröten serviert. Es steht noch nicht fest, dass wir jede dieser Kröten auch schlucken werden.“
Die FDP-Spitze warf der Koalition vor, „in trauter Eintracht das deutsche Gesundheitssystem zu ruinieren“. Sie sprach von einer „bloßen koalitionären Gesichtswahrung“ auf Kosten der Bürger. Nach Ansicht der Grünen werden die Bürger „verschaukelt“.
Zitat:
“ „Die Ergebnisse sind schwer zu verdauen““ – Andrea Nahles,SPD-Linke –
Bild(er):
Mittelmäßige Miene: Kanzlerin Angela Merkel, SPD-Chef Kurt Beck (l.) und CSU-Vorsitzender Edmund Stoiber präsentieren ihren Kompromiss in Berlin
www.FTD.de/gesundheit
www.FTD.de/gesundheit
weitere Berichte 10
Agenda 25
Leitartikel 27
Quelle: Financial Times Deutschland
Dieser Beitrag ist nur für Premium-Abonnenten vom Versicherungsmonitor persönlich bestimmt. Das Weiterleiten der Inhalte – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Bitte bedenken Sie: Mit einer von uns nicht autorisierten Weitergabe brechen Sie nicht nur das Gesetz, sondern sehr wahrscheinlich auch Compliance-Vorschriften Ihres Unternehmens.
Diskutieren Sie mit
Kommentare sind unseren Abonnenten vorbehalten. Bitte melden Sie sich an oder erwerben Sie hier ein Abo