Gut verdienende Angestellte sind eine attraktive Klientel für die privaten Krankenversicherer. Es gelingt ihnen aber nur schwer, sich dabei gegen die gesetzlichen Krankenkassen zu behaupten
Von Ilse Schlingensiepen, Köln Es ist schon bitter für die privaten Krankenversicherer (PKV): Zwar ist der Branche bei der Gesundheitsreform die Abschaffung der privaten Vollversicherung erspart geblieben. Die Politik macht es den Versicherern aber immer schwerer, sich in ihrem Kerngeschäft gegen die große Konkurrenz der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu behaupten.
Ende 2005 gab es in der PKV 8,4 Millionen Versicherte mit einer Vollversicherung – verglichen mit 70,5 Millionen Versicherten in der GKV. Die Hälfte der PKV-Kunden sind Beamte. Etwa drei Millionen sind Selbstständige und Kinder, schätzt der Vorstandsvorsitzende des Marktführers Debeka, Uwe Laue. Die Gruppe der gut verdienenden Angestellten mache gut eine Million aus. Sie vor allem ist von Interesse für die Assekuranz.
Zurzeit können sich nur Angestellte privat versichern, die monatlich mehr als 3937,50 Euro verdienen. Mit dieser Versicherungspflichtgrenze kann die Politik den Zugang von Angestellten zur PKV direkt beeinflussen. Die große Koalition hat ein neues Hindernis eingeführt: Angestellte müssen künftig drei Jahre lang über der Grenze liegen, bevor sie zur PKV wechseln dürfen.
Bisher ist das Interesse der Angestellten eher begrenzt. Der Million Angestellter in der PKV standen 2005 rund 8,8 Millionen freiwillig Versicherte in der GKV gegenüber, also Angestellte, die mit Familienmitgliedern wechseln dürften. Die Krankenkassen versichern auch Kinder und nicht verdienende Ehepartner mit, während die Privaten für jede Person einen eigenen Beitrag erheben.
Das ist ein gravierender Minuspunkt im Kampf mit den Krankenkassen, ebenso wie die individuelle Risikoprüfung in der PKV. „Es ist uns in der Vergangenheit nicht ausreichend gelungen, die freiwillig Versicherten von den Vorteilen unseres Systems zu überzeugen“, räumt Debeka-Chef Laue ein. Die Versicherer müssten deutlicher machen, dass das Ansparen von Alterungsrückstellungen ein Vorteil ist, auch wenn das die Beiträge in jüngeren Jahren erhöht. Auch die immer größeren Probleme der GKV und drohende Leistungseinschränkungen seien vielen nicht bewusst, so Laue. Beim Werben um die freiwillig Versicherten argumentieren die Kassen häufig, dass die GKV ein Solidarsystem sei, die PKV aber ein System für unsolidarische Reiche. Das ärgert den Vorsitzenden des PKV-Verbands, Reinhold Schulte. „So genannte Besserverdienende gibt es zwar in der PKV, aber es gibt sie auch, und wahrscheinlich in deutlich höherer Zahl, in der gesetzlichen Krankenversicherung“, sagt er. Gerade bei den Beamten gebe es viele mit mittleren und kleinen Einkommen, so Schulte, Vorstandschef der Signal Iduna.
Auch die PKV sei solidarisch, werden Schulte und andere Branchenvertreter nicht müde zu betonen. Schließlich leiste sie über höhere Honorare und höhere Preise einen nennenswerten Finanzbeitrag zur GKV. Von mehr als 9,5 Mrd. Euro ist dabei die Rede. Die Rechnung ist schwer nachzuvollziehen – schließlich betragen die gesamten Leistungen der Branche einschließlich der Schadensregulierungskosten nur 17,3 Mrd. Euro.
Für die Versorgung ihrer Versicherten stütze sich die PKV schließlich auf die von der GKV geschaffenen Versorgungsstrukturen, sagt der Vorsitzende des nordrhein-westfälischen Landesverbands der Betriebskrankenkassen, Jörg Hoffmann. „Das ist ein unschätzbarer Vorteil für die PKV, den sie würdigen sollte.“ So einfach dürfe man nicht rechnen, kontert PKV-Verbandsdirektor Leienbach. „Die einheitlichen Versorgungsstrukturen werden von GKV und PKV gemeinschaftlich im Verhältnis 90 zu 10 finanziert.“
Bild(er):
Sekt oder Selters? Wer genug verdient, kann von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung wechseln – Taittinger via Bloomberg News/Brau und Brunnen/Vario Press/FTD-Montage
FTD-Reihe PKV Der erste Teil erschien am Montag und befasste sich mit den Besonderheiten der Branche. Im dritten Teil wird es um die Konkurrenz zwischen den privaten Versicherern gehen. www.FTD.de/PKV
Quelle: Financial Times Deutschland
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