Der Traum von Direktverträgen

Die privaten Krankenversicherer wollen ihr Verhältnis zu Ärzten und Kliniken auf eine neue Grundlage stellen und direkt mit ihnen Kontrakte schließen. Doch auch hier hat die Gesundheitsreform die Branche enttäuscht

Von Ilse Schlingensiepen, Köln Unter das Motto „Ein Land, zwei Systeme“ hat die Volksrepublik China die Integration der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong gestellt. Mit diesem Motto ist auch das deutsche Gesundheitswesen bisher sehr gut gefahren, finden die privaten Krankenversicherer (PKV). „Wir sollten das duale System der Krankenversicherung in Deutschland nicht angreifen, sondern es weiterentwickeln und damit stärken“, fordert Reinhold Schulte, der Vorsitzende des PKV-Verbands.

Dort, wo es ihr nützen könnte, will die Branche die Unterschiede zwischen PKV und gesetzlicher Krankenversicherung (GKV) aber gern nivellieren. Das gilt vor allem für die Beziehungen zu Ärzten, Kliniken und anderen Anbietern. Während die GKV direkte Vertragsbeziehungen zu ihnen hat, ist der PKV das verwehrt. Ihr Vertragspartner ist der Versicherte. Über Preise oder Bedingungen der abgerechneten Leistungen können die Unternehmen nicht direkt verhandeln.

Die Vergütungssystematik der Kliniken gilt für GKV und PKV gleichermaßen. Nur für Leistungen wie die Unterbringung im Ein- oder Zweibettzimmer oder die Behandlung durch den Chefarzt zahlen die Privatversicherten mehr. Grundlage für die Abrechnung der Ärzte oder Zahnärzte sind staatlich erlassene Gebührenordnungen (GOÄ und GOZ). Die PKV erarbeiten dafür gemeinsam mit Ärzten und Zahnärzten Vorschläge für das Bundesgesundheitsministerium.

Wegen der unterschiedlichen Interessenlage gestalten sich die Verhandlungen schwierig. Bei der anstehenden Novellierung der GOÄ ist ein Streitpunkt die Forderung der PKV nach einer Öffnungsklausel: Die Versicherer wollen auf der Grundlage von Verträgen mit einzelnen Ärzten oder Arztgruppen von der Gebührenordnung abweichen können – also in der Regel niedrigere Preise bezahlen.

Auch die Gesundheitsreform hat den Versicherern keine Instrumente an die Hand gegeben, um mit den Ärzten über die Menge, Qualität und Preise von Leistungen zu verhandeln. „Ich glaube, dass die Politik hier einlenken muss“, fordert Volker Leienbach, Direktor des PKV-Verbands. Es sei nicht nachzuvollziehen, warum an diesem zentralen Punkt nichts passiere. Leienbach zufolge braucht die PKV ebenso wie die GKV Möglichkeiten, Qualität und Kosten der Leistungen zu beeinflussen. Die Politik wolle die PKV aber in vielen Bereichen ins GKV-Schema pressen – beispielsweise mit dem geplanten neuen Basistarif. „Es kann nicht sein, dass man uns überall dort, wo wir gestalterisch tätig sein könnten, außen vor lässt“, kritisiert Leienbach.

Ins gleiche Horn stößt auch die Consal-Gruppe, die Nummer fünf im PKV-Markt. „Wir brauchen die Vertragsfreiheit als Grundlage, um die Kosten senken zu können“, sagt Robert Baresel, Vorstandschef der aus Bayerischer Beamtenkrankenkasse und Union Krankenversicherung bestehenden Gruppe.

Die Bundesärztekammer ist anderer Meinung. „Die PKV gibt ihr Profil auf. Mit der Forderung nach Vertragsfreiheit sucht die PKV genau die Konvergenz mit der GKV, die sie sonst vehement ablehnt“, kritisiert Renate Hess, für die PKV zuständige Dezernentin bei der Bundesärztekammer. Wenn sie einen Preiswettbewerb der Ärzte um die privat versicherten Patienten provoziere, gefährde die Branche die Qualität der medizinischen Versorgung. Außerdem stellten Einzelverträge der Unternehmen mit bestimmten Arztgruppen die freie Arztwahl der Versicherten in Frage, sagt Hess: „Man muss die PKV vor sich selbst schützen, sie geht in die falsche Richtung.“ Die PKV dürfe bei ihren Klagen über eine angebliche Benachteiligung gegenüber der GKV nicht vergessen, dass sie andere Steuerungsmöglichkeiten habe. „Die Versicherer können die Kostenentwicklung auch über ihre Tarife gestalten“, so Hess. Sie könnten Selbstbehalte und modular aufgebaute Leistungspakete anbieten. Vorstellbar seien Neuentwicklungen wie ein Generika-Tarif, bei dem Versicherte preisgünstigere Nachahmermedikamente erhalten. „Die PKV muss hier noch viel fantasievoller sein“, fordert Hess.

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Werkzeug von Chirurgen, Zahn- und Augenärzten: Die privaten Krankenversicherer wollen Verträge mit einzelnen Leistungsanbietern schließen und so von der Gebührenordnung abweichen – mauritius images; Caro / Muhs; Das Fotoarchiv /Andreas Buck

FTD-Reihe PKV Bisher ging es um die Besonderheiten der Branche, die Konkurrenz mit den Krankenkassen und den für Kunden schwierigen Wechsel in der PKV. Der nächste Teil handelt von der Zukunft des Geschäftsmodells. Alle bisherigen Folgen sind im Internet zu finden: www.FTD.de/PKV

Quelle: Financial Times Deutschland

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