Bei der Einführung neuer Eigenkapitalregeln lauern viele Stolpersteine · Produkte und Vertriebsstruktur stehen vor weitreichenden Änderungen
Von Herbert Fromme, Köln Die Versicherer sind größtenteils schlecht auf die Einführung der neuen Eigenkapitalregeln Solvency II vorbereitet. Ihre Manager haben große Sorge um die Verfügbarkeit der nötigen Daten und erwarten weitreichende Änderungen bei Produkten und Arbeitsweisen. Das zeigt sich in der ersten maßgeblichen Studie zu dem Thema, die von dem Risk Management Network (Risknet) und dem Lehrstuhl für Risikomanagement an der Fachhochschule Wiesbaden mit Unterstützung der Softwarefirma SAS Institute in deutschsprachigen Ländern durchgeführt wurde.
Die Solvency-II-Regeln werden zurzeit EU-weit eingeführt, nach heutigem Stand werden sie ab 2010 geltendes Recht sein. Bisher müssen Versicherer Eigenkapital in einem festen Verhältnis zum Geschäftsvolumen vorhalten. Künftig sollen die übernommenen Versicherungsrisiken, die Risiken der Kapitalanlage und andere Faktoren bei der Bemessung des nötigen Eigenkapitals eine große Rolle spielen. Vorbild ist das Regelwerk Basel II für die Banken. Versicherer können entweder ein eigenes Modell für die Umsetzung der Solvency-II-Regeln erstellen oder sich eines Standardmodells bedienen. Einen ersten Entwurf für ein solches Standardmodell hat der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft erarbeitet.
Die Verfasser der Studie haben Fragebögen von 104 Versicherungsmanagern ausgewertet und 17 Interviews mit wichtigen Marktteilnehmern durchgeführt. „In der Umsetzung von Solvency II ergibt sich ein sehr heterogenes Bild“, sagte Frank Romeike von Risknet. „In der Schweiz sind die Gesellschaften insgesamt weiter. In Deutschland gibt es kleine Versicherer, die sehr weit sind, die Mehrzahl ist es aber nicht.“ Bei vielen herrschten „Attentismus und reaktive Verhaltensmuster“ vor.
Das Herausfiltern der richtigen Daten ist ein Kernproblem. „Der größte Stolperstein ist das Thema Daten, der zweitgrößte ist das Thema Daten und der drittgrößte auch“, so Michael Koller, Chief Regulatory Officer der Swiss Re. „Hier muss noch ein umfangreiches Daten-Upgrade in der Versicherungswirtschaft erfolgen“, erklärten Louis Norman-Audenhove und Rudolf Diewald vom österreichischen Versicherungsverband.
Das Problem seien die vielen Insellösungen in den Datenbeständen der Assekuranz, sagte Thorsten Hein vom SAS Institute, einer der Autoren der Studie. Es sei eine schwierige Aufgabe, die operativen Daten in ein Risikomodell auf Unternehmensebene einzubringen.
Dabei wollen nur 44 Prozent der befragten Manager neue Software von außen einsetzen, 56 Prozent wollen die Herausforderung mit bestehenden Werkzeugen lösen.
Solvency II wird zu Änderungen in den Angeboten der Versicherer und in der Vertriebsstruktur führen, sagte Markus Rohrbasser, Vorstandsmitglied der Gerling Allgemeine. „Unternehmen werden Produkte gestalten, die möglichst wenig Risikokapital konsumieren“, zitiert die Studie Rohrbasser. Im Vertriebsbereich werde die Bedeutung der Makler tendenziell zunehmen. „Kunden werden zukünftig die effizienteste Lösung im Markt suchen.“
Uneinheitlich sind die Auffassungen zu der Frage, welche Auswirkungen Solvency II auf den Konsolidierungsprozess der Assekuranz hat. „Ich persönlich glaube eigentlich nicht, dass Solvency II sehr große Einflüsse auf den Konsolidierungsprozess entfaltet“, sagte Peter Bamert, Finanzchef der Helvetia Patria. Dagegen Jan Wicke, Finanzchef der DBV Winterthur: „Durch Solvency II wird eine Konzentration innerhalb der Versicherungswelt nur unter der Berücksichtung von Diversifikationsaspekten in internationalen Finanzgruppen begünstigt“, sagte er. „Länderübergreifende Diversifikationseffekte können insbesondere in der Schadenversicherung erwartet werden.“ Ähnlich Walter Steidl, Finanzchef der Generali Vienna Holding. „Durch Solvency II nehmen die Konzentrationen in der Versicherungsbranche deutlich zu.“
Durch Solvency II werde sich die Transparenz in der Risikopolitik der Unternehmen erhöhen, glaubt die Mehrzahl der Befragten. Vor Illusionen warnen Friedrich Schubring-Giese und Gregor Farnschläder, Konzernchef und Controlling-Chef der Versicherungskammer Bayern. „Grundsätzlich kann Solvency II nicht zu einer Entkomplizierung des Versicherungsgeschäfts beitragen“, erklärten sie. Solvency II werde eine „wesentliche Randbedingung, die stets im Rahmen der Aufsicht und der Eigenmittelausstattung mitläuft“. Das primäre Versicherungsgeschäft werde aber eher am Rande beeinflusst.
Zitat:
„Kunden werden die effizienteste Lösung suchen“ – Markus Rohrbasser, Gerling Allgemeine –
Bild(er):
Chaos im Rechenzentrum: Die Versicherer fürchten große Probleme bei der Beschaffung der nötigen Daten, wenn die neuen Eigenkapitalregeln Solvency II in Kraft treten – Getty Images/John Milarl
Quelle: Financial Times Deutschland
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