Talanx geht auf Industriekunden zu

Versicherer übernimmt einen Teil der Gerling-Strukturen · Vorstandschef verteidigt Vorgehen

VON Herbert Fromme, München Herbert Haas, neuer Vorstandschef des Talanx-Konzerns, hat die bei der Gerling-Übernahme angewandten Methoden verteidigt. Forderungen von großen Industriekunden nach Beibehaltung des Kundenbetreuungssystems gab er jedoch nach. Der Konzern übernimmt Teile des Vertriebssystems der gerade gekauften Gerling Gruppe. „Die Key Account Manager für Industriekunden bleiben erhalten“, sagte Haas vor mehr als 250 Experten auf einer Fachtagung des Deutschen Versicherungs-Schutzverbands (DVS) in München. Der DVS ist die Lobbyorganisation der Industrie in Versicherungsfragen. Beim System der Key Account Manager haben die Großkunden nur einen Ansprechpartner für alle Sparten. „Ich höre das mit großer Zufriedenheit“, antwortete der DVS-Vorsitzende und Lufthansa-Manager Ralf Oelßner auf die Ankündigung.

Der frühere Finanzvorstand Haas ist seit dem 12. Juli 2006 Vorstandschef von Talanx. Vorgänger Wolf-Dieter Baumgartl wechselte in den Aufsichtsrat. Durch die Übernahme des Konkurrenten Gerling, der von Talanx gerade mit den operativen HDI-Töchtern verschmolzen wird, hat die Gruppe den führenden Industrieversicherer in Deutschland geschaffen. Dabei fallen rund 2000 Arbeitsplätze weg. Die Lebensversicherung wird in Köln zusammengelegt, die Schaden- und Unfallversicherung in Hannover.

Die Übernahme ist nicht unumstritten. Industrieunternehmen fürchten, dass der von ihnen geschätzte gute Service der Gerling Gruppe verloren geht. Eine Reihe bekannter Gerling-Manager, vor allem aus der Haftpflichtabteilung, wechselt zur Allianz und anderen Anbietern. „Es gibt eine größere Anzahl von Kunden, die mit Skepsis das Vorgehen sehen“, sagte Jurand Honisch, Versicherungschef bei Bertelsmann. Bertelsmann ist indirekt an der FTD beteiligt.

Haas verteidigte die Vorgehensweise. Talanx habe keine größeren Fehler gemacht. „Bei solchen Integrationen geht nie alles staubfrei“, sagte er. „Natürlich werden wir die Gerling-Kultur etwas schleifen müssen.“ Aber die Behauptung, Talanx gehe nach Gutsherrenart vor, sei unzutreffend. Es gebe unzufriedene Mitarbeiter und Kunden. „Aber das ist doch nur eine Hand voll.“ Die große Masse sei nicht unzufrieden. „Wir hatten einen kleinen Aderlass in Haftpflicht.“ Aber in anderen Sparten habe es so etwas nicht gegeben. Die HDI-Experten und der Gerling-Nachwuchs könnten die Abgänge wettmachen.

Haas sagte, Talanx habe die feste Absicht, die Mehrheit von 50,1 Prozent an der Hannover Rück dauerhaft zu behalten. Sollte der viertgrößte Rückversicherer der Welt zur weiteren Expansion frisches Geld brauchen, gebe es verschiedene Möglichkeiten, darunter die Ausgabe von stimmrechtslosen Vorzugsaktien oder von Hybridkapital sowie Verbriefungen. „Sollte es jedoch eine einmalige Chance auf dem Markt geben, würde Talanx auch Geld in die Hand nehmen“, sagte er zu eventuellen Kaufgelegenheiten.

Clement Booth, Vorstandsmitglied der Allianz AG und für das weltweite Industriegeschäft zuständig, verlangte auf der DVS-Tagung von seiner eigenen Branche eine verstärkte Kundenorientierung. „Viele Versicherer haben mehr auf sich selbst gehört als auf ihre Kunden“, sagte Booth.

Die Branche müsse viel mehr künftige Risiken abdecken, statt sich auf vergangene Erfahrung zu stützen, das gelte etwa für die Klimaveränderung und die demografischen Umbrüche. „Versuchen Sie nicht, mir etwas zu verkaufen, lösen Sie mein Problem“, das sei heute die Anforderung, der sich die Assekuranz stellen müsse, mahnte der Allianz-Vorstand.

Zitat:

„Wir werden die Gerling-Kultur etwas schleifen müssen“ – Talanx-Chef Haas –

Bild(er):

Talanx-Chef Herbert Haas will die wichtigste Kundengruppe nicht vergrätzen – Guido Krzikowski

Quelle: Financial Times Deutschland

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