Mit den Einnahmen aus der Ticketsteuer wollen Staaten ihren Etat für Entwicklungshilfe aufstocken. Fluggesellschaften warnen davor, denn sie fürchten Wettbewerbsnachteile
VON Patrick Hagen D ie Urlauber auf dem Düsseldorfer Flughafen warteten auf ihren Flug nach Mombasa in Kenia, als am 3. September Hunderte Papierflieger in die Wartehalle segelten. Hinter der Aktion steckten die Globalisierungsgegner von Attac, ihre Botschaft lautete: Wir sind für eine spezielle Abgabe auf Flugtickets, mit der Armut und Krankheiten in den Entwicklungsländern bekämpft werden sollen. „Wir wollen die Öffentlichkeit auf die Flugticketabgabe aufmerksam machen“, sagt Silke Ötsch von Attac. Zum Ärger der Fluggesellschaften und der Tourismusbranche, die sich gegen die so genannte Ticketsteuer aussprechen, weil sie um ihre Wettbewerbsfähigkeit fürchten.
Eine Abgabe auf Flugtickets für die Entwicklungshilfe befürworten indes nicht nur Globalisierungskritiker und Umweltaktivisten. Weltweit diskutieren Politiker und Nichtregierungsorganisationen über die zusätzliche Gebühr. Vorbild ist Frankreich, das seit dem 1. Juli eine Abgabe auf Flugtickets erhebt.
Innereuropäische Flüge in der Economy-Class kosten seitdem 1 Euro pro Ticket zusätzlich, in der Business-Class sind es 10Euro. Für transkontinentale Flüge fallen entsprechend 4 oder 40 Euro an. Die Einnahmen sollen in einen internationalen Fonds fließen, der Impfprogramme und Medikamente gegen Aids, Tuberkulose und Malaria in Entwicklungsländern finanziert.
Auch deutsche Urlauber und Geschäftsreisende sind von der Steuer betroffen, wenn sie nach Frankreich fliegen. Die Abgaberegelung ist zunächst auf zwei Jahre befristet. Frankreich geht davon aus, insgesamt rund 200 Mio. Euro einzunehmen. Bei einer weltweiten Einführung der Ticketabgabe rechnen Fachleute mit 10 bis 16 Mrd. Euro.
Mittlerweile haben 18 weitere Staaten die Einführung einer Ticketabgabe beschlossen, darunter Südkorea, Brasilien und Chile. In Europa könnten demnächst Flüge nach Schweden, Norwegen, Zypern und Luxemburg teurer werden.
Ob Deutschland sich in näherer Zukunft der Initiative anschließt, ist noch offen. Das Entwicklungshilfeministerium hegt Sympathien für die Ticketsteuer. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) und Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) lehnen sie aber ab. Voraussichtlich in den nächsten Wochen wird sich der Bundestag mit der Ticketsteuer befassen müssen. Es liegen zwei Anträge von den Grünen und der Linkspartei vor, die die Einführung der Abgabe fordern.
Aufgekommen ist die Diskussion über die Flugticketsteuer vor dem Hintergrund der Millenniumsziele der Vereinten Nationen, die unter anderem vorsehen, die extreme Armut in der Welt bis 2015 zu halbieren. Die Geberländer haben sich verpflichtet, die Entwicklungshilfe bis dahin auf 0,7 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung anzuheben. Deutschland kam beispielsweise im Jahr 2005 auf 0,35 Prozent. Die Bundesrepublik und andere Länder machen die Erhöhung aber von einer Gegenfinanzierung abhängig. Sie suchen neue Einnahmequellen, um die höhere Entwicklungshilfe zu bezahlen. Dazu könnte die Ticketsteuer dienen.
Die europäischen Finanzminister hatten sich im Mai 2005 darauf geeinigt, dass EU-Mitglieder die Flugticketabgabe einführen können, wenn sie wollen. Eine gesamteuropäische Lösung ist allerdings nicht in Sicht. Andere Modelle wie die Einführung einer Steuer auf Gewinne aus dem Devisenhandel, der Tobin-Steuer, oder eine Kerosinsteuer konnten sich nicht durchsetzen.
Fluglinien und Touristikunternehmen lehnen zusätzliche Abgaben für Flugtickets ab. „Die Ticketsteuer macht Reisen und Mobilität teurer“, sagt Gerd Otto-Rieke vom Verband Deutsches Reisemanagement (VDR), der 470 Unternehmen vertritt. Die Reisebranche fürchtet allerdings weniger Umsatzeinbußen. Sie fühlt sich schlicht ungerecht behandelt. „Die Kosten sind für Geschäftsreisende nicht so abschreckend“, sagt Verbandssprecher Otto-Rieke. „Wir werden aber völlig willkürlich herausgegriffen. Genauso gut könnte man Eintrittskarten für Fußballspiele zusätzlich besteuern.“
Auch die deutschen Fluggesellschaften wehren sich gegen die Einführung der Ticketsteuer. „Die Politiker haben offensichtlich den Eindruck, dass Fluggesellschaften in jeglicher Weise belastbar sind“, sagt der Geschäftsführer des Fluglinienverbandes Barig, Martin Gaebges. Er warnt davor, dass sich nach einer Einführung der Ticketsteuer in Deutschland der Umsteigerverkehr verringern könnte. Außerdem würden sich einige Länder wie die USA auf keinen Fall beteiligen. „Deutsche Fluggesellschaften hätten dann einen Wettbewerbsnachteil.“ Bei einer Einführung der Abgaben werde man sicherlich vor dem Bundesverfassungsgericht klagen.
Die Befürworter der Abgabe sehen die Luftfahrtbranche hingegen nicht als Opfer. „Die Schäden, die durch den Flugverkehr entstehen, sind enorm“, sagt Attac-Aktivistin Ötsch. „Der Treibhauseffekt und Klimakatastrophen treffen Entwicklungsländer besonders stark.“ Es sei nur gerecht, wenn ein Teil der Einnahmen der Wachstumsbranche Luftfahrt den Verlierern der Globalisierung zugute käme. „Es handelt sich um ein völlig neues Steuermodell, das besser auf den Prozess der Globalisierung ausgerichtet ist als die nationalen Steuersysteme.“
Dass die Ticketsteuer auf Flüge im Interesse der Entwicklungsländer ist, bestreitet Gaebges vom Fluglinienverband. „Besser wäre es, die Flüge zu verbilligen.“ Denn in vielen Entwicklungsländern sei der Tourismus die Haupteinnahmequelle.
Zitat:
“ „Genauso gut könnte man Eintrittskarten für Fußballspiele besteuern“ “ – Gerd Otto-Rieke,VDR-Sprecher –
Bild(er):
Tickets werden in Frankreich bereits mit 1 Euro pro Flugschein besteuert, wie unsere Montage zeigt. Brasilien, Chile, Schweden und Norwegen planen die Einführung der Abgabe – FTD/Veit Hengst
Quelle: Financial Times Deutschland
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