SPD-Chef Beck fordert von der Regierungschefin im Gesundheitsstreit hartes Durchgreifen · Spitzenrunde heute im Kanzleramt
VON Birgit Marschall, Peter Ehrlich, Berlin, und Ilse Schlingensiepen, Köln Bundeskanzlerin Angela Merkel hat unmittelbar vor der entscheidenden Spitzenrunde zur Gesundheitsreform heute indirekt mit einem Machtwort in dem wochenlangen Koalitionsstreit gedroht. „Zum Schluss habe ich die Gesamtverantwortung und muss dann schon sagen, wo es langgeht“, sagte Merkel dem Fernsehsender Sat 1. Zuvor hatte SPD-Chef Kurt Beck ein hartes Durchgreifen Merkels gegenüber den Unions-Ministerpräsidenten gefordert, die Kompromisse der Koalition beständig attackierten.
Unter Leitung Merkels kommen heute Abend die Partei- und Fraktionschefs von CDU, CSU und SPD sowie Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) zusammen, um letzte strittige Fragen zu klären. Hinzu kommen je zwei Gesundheitsexperten von SPD und Union. Die Sozialdemokraten werden durch Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und Vize-Fraktionschefin Elke Ferner vertreten. Für die Union sitzen Kanzleramtsminister Thomas de Maizière und Vize-Fraktionschef Wolfgang Zöller (CSU) in der Runde. In Regierungskreisen wurde mit einer langen Nacht gerechnet.
CSU-Chef Edmund Stoiber hatte, ungeachtet des erklärten Einigungswillens Merkels und Becks, schon am Montag seine skeptische Haltung bekräftigt. Er werde noch vor der Runde heute deutlich machen, dass er keinem Kompromiss zustimmen könne, bevor nicht ein fertiger Gesetzentwurf vorliege, hieß es in CSU-Kreisen. Nach Meinung Stoibers werden reiche Bundesländer wie Bayern durch die Reform überproportional belastet. Ministerin Schmidt warf dem CSU-Chef daraufhin in einem Schreiben vor, er gehe hier von einer „Kette von Fehlannahmen“ aus.
Eine Koalitionsarbeitsgruppe hatte am Montag wichtige Vorarbeiten für einen Gesamtkompromiss geleistet. Die Gruppe stimmte überein, dass der Finanzausgleich zwischen armen und reichen Kassen für mindestens 50 Krankheiten gelten soll, darunter auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die SPD hatte zuvor einen stärkeren, die Union einen geringeren Ausgleich gefordert.
Weitgehend einig waren sich die Fachpolitiker auch über neue Regeln für die private Krankenversicherung (PKV). Demnach sollen private Kassen verpflichtet werden, einen Basistarif ohne Risikoprüfung einzuführen, der aber kein Einheitstarif für alle Versicherten werden soll. Zudem sollen Versicherte beim Wechsel ihrer Kasse Altersrückstellungen mitnehmen können. Ungeklärt blieb, in welchem Umfang dies möglich wird.
Der PKV-Verband kündigte eine Klagewelle gegen diese Pläne an. „Die PKV appelliert mit allergrößtem Nachdruck an Bundeskanzlerin Angela Merkel und den SPD-Vorsitzenden Kurt Beck, die sich abzeichnenden tief greifenden Eingriffe in das erfolgreiche Sicherungssystem der PKV nicht vorzunehmen“, sagte der Chef des Verbands, Reinhold Schulte.
Hauptstreitpunkt der Spitzenrunde wird die so genannte Überforderungsklausel sein: Künftig sollen Kassen für jeden Versicherten eine feste Summe erhalten. Kommen sie damit nicht aus, können sie von den Versicherten eine Zusatzprämie verlangen. Um Geringverdiener nicht zu überfordern, hatte die SPD durchgesetzt, dass die Prämie bei maximal einem Prozent des Haushaltseinkommens liegen darf. Die Union hatte dies abgelehnt. Zwei Gutachter haben Lösungsvorschläge unterbreitet.
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Quelle: Financial Times Deutschland
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