Herbert Fromme Politik ist die Kunst des Kompromisses, es gibt immer mehr als eine Wahrheit. Wer diese Binsenweisheiten in der politischen Schlacht außer Acht lässt, gerät schnell in den Ruf eines Fundamentalisten.
In diese unangenehme Lage hat sich die Versicherungswirtschaft gebracht. Das Verhältnis zwischen Politik und Assekuranz kann mit Fug und Recht als zerrüttet bezeichnet werden, die Gesundheitsreform und der Entwurf für das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) belegen das. Fragt man Politiker und Spitzenbeamte nach Gründen, kommt immer wieder eine Antwort: Die Versicherer und ihre Lobbyisten neigen zu Besserwisserei in ihren Gesprächen mit der Politik, sie sind der festen Überzeugung, dass außer ihnen ohnehin niemand die Problematik einer alternden Gesellschaft lösen kann. Es fehlt ihnen gänzlich die Geschmeidigkeit.
Dabei kann sich die Branche des Beistands einer ganzen Reihe von Wissenschaftlern sicher sein, mit manchen von ihnen pflegt sie einen sehr engen Umgang. Aber auch hier gilt: inneren Abstand halten. Es ist eine Sache, ein Gutachten oder eine Studie finanziell zu unterstützen, die zu einem für die Versicherungswirtschaft angenehmen Ergebnis kommt. Es ist eine andere, sich diese Auffassung dann auch selbst vollständig anzueignen und zur Leitlinie des eigenen Handelns zu machen. Das Letztere zeigt eine gewisse Hilflosigkeit, die ja oft die Kehrseite des Fundamentalismus ist.
Versicherer sollen Geschäfte machen. Dafür brauchen sie klare politische Rahmenbedingungen, für die sie kämpfen müssen. Wenn sie sich aber als die besseren Sozialpolitiker gerieren, die auf alle demografischen Probleme die allein selig machende Antwort haben, erzeugen sie Verdruss. Gewinner sind Banken und Fondsanbieter.
Herbert Fromme ist Versicherungskorrespondent der FTD.
E-mail Fromme.Herbert@ftd.de
Quelle: Financial Times Deutschland
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