Branchenzweiter lehnt Senkung ab und riskiert Umsatzeinbußen · Interview mit Vorstand Torsten Jeworrek
Von Herbert Fromme, München Die Münchener Rück ist bereit, im Interesse risikogerechter Preise auch deutliche Umsatzeinbußen hinzunehmen. „Möglicherweise können wir unsere Politik nicht ewig ohne Verlust von Prämienvolumen betreiben“, sagte Vorstandsmitglied Torsten Jeworrek im FTD-Interview. „Wir sind bereit, einen Rückgang zu akzeptieren.“ In den ersten neun Monaten stagnierten die Prämieneinnahmen des zweitgrößten Rückversicherers der Welt.
Rückversicherer decken Risiken von Erstversicherern wie Allianz, Axa oder Zurich ab, die ihrerseits mit Endkunden Geschäfte machen. In den vergangenen Jahrzehnten zeichneten sich Erst- und Rückversicherungsmärkte durch drastische Zyklen aus. Phasen hoher Preise sorgten für kräftige Gewinnschübe, zusätzliches Kapital strömte in den Markt. Der Kampf um Marktanteile führte dann zu deutlichen Preissenkungen und Verlustphasen.
Nach hohen Schäden, unter anderem durch den 11. September 2001, begann vor fünf Jahren ein Preisanstieg auf breiter Front. Seit zwei Jahren bröckeln die Prämien für die Endkunden wieder. Die Versicherer zahlen aber immer noch sehr viel, wenn sie Rückversicherungsschutz einkaufen. Nicht nur die Münchener Rück hält die Preise stabil, auch Rivalen wie Swiss Re oder Hannover Rück tun dies.
Die Münchener Rück würde auch einen zweistelligen Umsatzrückgang hinnehmen, sagte Jeworrek. „Es gibt keine festgelegte Grenze.“ Kein Unternehmen könne um der Kundenbeziehung willen unökonomische Entscheidungen treffen. Die geplante Rückgabe von 1 Mrd. Euro überschüssigen Kapitals an die Anleger durch einen Aktienrückkauf sei eine klare Indikation für die ertragsorientierte Geschäftspolitik, sagte Jeworrek.
Insgesamt verlaufe die Vertragserneuerung für 2007 „stabil“. Zu den Ausnahmen gehöre die Versicherung der Flotten großer Fluggesellschaften. „Hier gibt es Absenkungen im zweistelligen Bereich.“ Bereits 2005 habe sich die Münchener Rück in zwei Fällen aus Verträgen zurückgezogen. „Wenn sich die Tendenz so bestätigt, werden wir auch in diesem Jahr Geschäft aufgeben.“ Auch die industrielle Feuerversicherung steht unter Preisdruck, zwar nicht im weltgrößten Markt USA, wohl aber in Europa. „Hier gehen die Preise in der Erstversicherung zum wiederholten Mal nach unten“, sagte Jeworrek. Die Münchener Rück übernehme deshalb bestimmte Risiken nicht mehr. Sie arbeite mit risikotechnischen Einschätzungen. „Der so gefundene Preis steht für uns.“
Das gelte auch für die deutsche Autoversicherung, in der sich die Erstversicherer einen Preiskampf liefern. „Das Segment steht unserer Ansicht nach an der Schwelle zur Unprofitabilität“, sagte er. „Wir werden Preisreduzierungen auch im Automarkt jenseits der Profitabilitätsschwelle nicht mitmachen.“ Global verliefen die Preistrends aber nicht parallel. „Wir haben in Asien andere Marktzyklizitäten als in den USA und Europa. Wir können Kapazitäten auch in andere Märkte hineingeben“, sagte Jeworrek. Deshalb könne die Münchener Rück eine solche Strategie lange aushalten. Sie wolle Kunden durch Service und langfristige Berechenbarkeit überzeugen.
Einen Zusammenhang zwischen der hohen Preisdisziplin und der anstehenden Ratingüberprüfung sieht Jeworrek nicht. Die Agentur Standard & Poor’s will bis Dezember prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Verbesserung des momentanen „A+“-Ratings vorliegen. Für die Rating-Agenturen ist die Preisstabilität der Rückversicherer ein wichtiger Faktor. „Das ist keine Frage der Rating-Politik“, sagte Jeworrek. „Wir sind in den 90er-Jahren durch das Feuer gegangen, wie die gesamte Branche. Wir haben dadurch gelernt.“ In den Jahren 1997 bis 2001 hatten die meisten Rückversicherer Risiken akzeptiert, die kurze Zeit danach vor allem bei Haftpflichtrisiken in den USA zu erheblichen Spätschäden und Reservestärkungen führten.
„Es gab immer Rechtfertigungen für das Nachgeben bei Preisen“, sagte Jeworrek weiter. Da werde gesagt, man müsse wieder in den Markt hineinkommen oder sich frühzeitig positionieren, um den Preisanstieg voll mitzunehmen. Die Argumente führten alle in die Irre. „Unprofitables Geschäft zu machen ist nicht im Interesse von Aktionären, Mitarbeitern oder Kunden.“
Zitat:
„Wir sind bereit, einen Rückgang zu akzeptieren“ – Torsten Jeworrek –
Bild(er):
Münchener-Rück-Vorstand Torsten Jeworrek liebt die Präzision im Geschäft. Bis 1990 war der 45-jährige Mathematiker wissenschaftlicher Assistent an der Uni Magdeburg – FTD/Armin Brosch
www.ftd.de/versicherung
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Quelle: Financial Times Deutschland
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