DKV steht vor großer IT-Umstellung · Kunden sollen deshalb Arztrechnungen später zur Erstattung einreichen
VON Ilse Schlingensiepen, Köln Die Deutsche Krankenversicherung (DKV) bittet ihre Kunden, in den nächsten Monaten möglichst keine Rechnungen einzureichen. Dies geht aus einem Schreiben hervor, das der FTD vorliegt. Wenn Versicherte ihre Arzt- oder Zahnarztrechnungen bis September oder Oktober dieses Jahres liegen lassen, winkt ihnen ein Einkaufsgutschein Euroder Karstadt-Gruppe in Höhe von 25 Euro als Belohnung. Hintergrund der Aktion ist die lange geplante Einführung eines neuen IT-Systems, das ab Mitte April genutzt werden soll.
Die DKV ist der zweitgrößte private Krankenversicherer (PKV). Sie ist Teil der Ergo-Gruppe und damit der Münchener Rückversicherung. Ergo, zu der auch Hamburg-Mannheimer, Victoria und DAS gehören, hat in den vergangenen Jahren die gesamte IT umstrukturiert. Die verschiedenen Gesellschaften werden nach und nach auf ein einheitliches System umgestellt.
Das hatte bereits bei der Hamburg-Mannheimer zu einem erheblichen Bearbeitungsrückstand und zu Unmut bei Kunden und Mitarbeitern geführt. Dem will die DKV offenbar vorbeugen. Sie hat einen Teil ihrer Kunden über die interne Umstrukturierung informiert und sie darauf hingewiesen, dass es zu Verzögerungen in der Bearbeitung kommen kann. „Sie können uns helfen, unser Serviceniveau so schnell wie möglich wieder zu erreichen – vor allem durch das Sammeln von Rechnungen“, heißt es in dem Brief. Ihn erhielten rund 360 000 der 800 000 Vollversicherten der DKV. Hinzu kommen 80 000 Vollversicherte der Victoria.
„In der Regel haben wir Kunden angeschrieben, die drei oder mehr Rechnungen pro Jahr einreichen“, sagte ein DKV-Sprecher. Chronisch Kranke, die regelmäßig Rechnungen einreichen, und Schwerstkranke mit hohen Rechnungen haben den Brief nicht erhalten, ebenso wenig Versicherte mit einem Selbstbehalt-Tarif. Denn die warten in der Regel ohnehin bis zum Jahresende. Erst dann können sie absehen, ob sie die Grenze erreicht haben, bis zur der sie die Kosten selbst tragen müssen. Ob die Kunden, die das DKV-Angebot annehmen, auch ihre Ärzte so lange warten lassen, sei nicht Sache der DKV, sagte der Sprecher.
Die meisten Rechnungen kommen bei PKV-Unternehmen traditionell im Januar bis März an. Da es sich um ein komplett neues System handele, seien neben den damit verbundenen Verzögerungen aufwendige Schulungsmaßnahmen notwendig. Dadurch gehe die Produktivität planmäßig zurück, sagte der Sprecher. „Anzunehmen, dass eine solche Umstellung ohne Verzögerung vonstatten geht, wäre verlogen.“
Er erwartet, dass auf diesem Weg „mehrere Zehntausend“ Rechnungen verzögert eingereicht werden. Im Schnitt werden bei der DKV pro Tag 15 000 bis 20 000 Rechnungen bearbeitet. Grob geschätzt sind es vier Millionen pro Jahr.
Die DKV habe sich für den Anreiz eines Wertgutscheins entschieden, weil eine Auszahlung in bar oder die Verrechnung der 25 Euro mit einem zu großen administrativen Aufwand verbunden wären, sagte der Sprecher. Karstadt sei in vielen Regionen präsent.
Die Konkurrenz von den gesetzlichen Krankenkassen hat für das Vorgehen der DKV nur Spott übrig. „Das zeigt, dass auch vergleichsweise große Privatversicherer von Professionalität noch weit entfernt sind“, sagte Norbert Klusen, Chef der Techniker Krankenkasse (TK). „Ein solches Schreiben hätte unser Haus auch mitten in der größten Umstrukturierung, die gerade erst abgeschlossen worden ist, nie verlassen“, sagte er. Die TK hat über vier Jahre das gesamte Unternehmen inklusive des EDV-Systems umgebaut. Dabei mussten 6000 von 10 000 Mitarbeitern den Arbeitsplatz wechseln.
Zitat:
„Sie können uns durch das Sammeln von Rechnungen helfen“ – DKV-Brief an Kunden –
Bild(er):
Die DKV will die Versicherten mit einem Gutschein zum Einkauf bei Karstadt belohnen – FTD/Lars Berg
Quelle: Financial Times Deutschland
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