Versicherer profitieren vom Klimawandel

Die Erderwärmung bedeutet für Versicherer und Rückversicherer mehr Schäden durch mehr Stürme oder Überschwemmungen, aber auch mehr Geschäft

Von Patrick Hagen und Herbert Fromme Kapitalanleger reagieren reflexartig: Bebt die Erde irgendwo, toben Hurrikans vor der US-Küste oder legen Überschwemmungen Teile Europas lahm, fallen sofort die Aktienkurse der regional engagierten Versicherer und der globalen Rückversicherer. Große Katastrophen bedeuten hohe Schadenzahlungen, darauf reagiert der Kapitalmarkt negativ.

Hinter diesem Dilemma steckt ein Kernproblem der Branche. Sie muss ihren Anlegern klarmachen, dass die wachsenden Schäden durch Naturkatastrophen nicht nur ein Problem, sondern auch eine große Chance bedeuten – zumindest wenn die Gesellschaften richtig damit umgehen.

Ein Grundprinzip der Assekuranz lautet: „Ohne Schaden keine Versicherung“. Für Händler des Risikoschutzes bedeutet eine höhere Schadenerwartung also auch mehr Geschäft. „Wir werden für verschiedene Regionen und verschiedene Branchen eine zusätzliche Nachfrage erhalten, die bisher noch relativ wenig nachgefragt oder befriedigt wurde“, sagt Torsten Jeworrek, Vorstandsmitglied der Münchener Rück.

Vor allem die Rückversicherer beobachten mit eigenen Forschungsabteilungen den Klimawandel. Naturkatastrophen betreffen sie besonders, weil sie Erstversicherern wie Axa oder Allianz Deckung geben, die wiederum mit den Endkunden Geschäfte machen.

Die Mehrheit der Experten auch in der Assekuranz sieht den Ursprung des Klimawandels in Emissionen und rechnet mit mehr Schäden aus Stürmen oder Überflutungen. „Es gibt den nachweisbaren Trend, dass sich die wetterbedingten Naturkatastrophen seit den 50er-Jahren verdreifacht haben“, sagte Peter Höppe, der Leiter der Abteilung für Geo-Risikoforschung bei der Münchener Rück. „Wir gehen davon aus, dass diese Steigerung durch Veränderungen in der Erdatmosphäre getrieben ist.“ Dazu kommt: Durch mehr und teurere Gebäude in sturmgefährdeten Gegenden fallen auch die Schäden höher aus.

Damit unter diesen Bedingungen noch die richtigen Prämien kalkuliert werden können, ändert die Branche fundamental ihre Methoden bei der Risikoeinschätzung. Lange Zeit war der Blick in die Vergangenheit entscheidend. „Bis vor wenigen Jahren war es üblich, die Schadenerfahrungen der letzten 50 Jahre als Basis zu nehmen“, sagte Klimaforscher Höppe. Heute ist dagegen der Blick in die Zukunft gefragt.

Neben eigenen Modellen greifen die Versicherer dafür auf Spezialfirmen zurück, die Naturkatastrophen und ihre Folgen simulieren. Die wichtigsten sind die US-Unternehmen Risk Management Solutions, Applied Insurance Research und Equecat. Sie berechnen das Risiko für mögliche Schäden, für die es keine Vergleichswerte aus der Vergangenheit gibt. Die Simulationen können allerdings auch danebenliegen. Die tatsächlichen Kosten des Hurrikans „Katrina“ hatten sie nicht vorhergesehen.

Zusätzlich eröffnet der Klimawandel der Assekuranz neue Geschäftsfelder. „Neue Technologien wie Solar- oder Windenergieanlagen, mit denen die Gesellschaft auf den Klimawandel reagiert, bringen auch neuen Versicherungsbedarf mit sich“, sagte Münchener-Rück-Vorstand Jeworrek. Der Rückversicherer versichert Offshore-Windparks und Solaranlagen gegen Überflutungen oder Sturmschäden, aber auch gegen Windflauten.

Mit einem eigenen Versicherungspaket gibt die Münchener Rück Unternehmen Deckung gegen Risiken, die sich aus dem Engagement von Firmen in Klimaschutzprojekten in Entwicklungsländern ergeben. Politische Risiken sind genauso versichert wie Schäden an der Anlage oder eine geringere Ersparnis von Emissionen als vorgesehen.

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Eine bald vielleicht nicht mehr so ungewöhnliche Bedrohung: Eine Wasserhose raste im niederländischen Wattenmeer Anfang Juli mitten durch eine Gruppe von Fischerbooten – dpa/Report

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Klimawandel

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Quelle: Financial Times Deutschland

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