Offene Rechnung

Die Aufkäufer unbezahlter Forderungen sind sehr erfolgreich. Kreditversicherer reagieren auf den Boom dsfgsd fs

VON Anja Krüger und Patrick Hagen Die Geister scheiden sich. Für die einen stehen Factoring und Kreditversicherung in harter Konkurrenz zueinander. Die anderen betrachten sie als zwei Seiten einer Medaille. Fest steht: Die in Deutschland noch kleine, aber wachstumsstarke Branche der Rechnungsaufkäufer verändert das Geschäft der Kreditversicherer. Sichtbarster Ausdruck dessen ist der Kreditversicherer Coface, der als einziger Großer seiner Branche dieses Geschäft selbst betreibt und sogar Marktführer ist. „Der Factoringmarkt hat ein enormes Potenzial“, sagt Coface-Deutschlandchef Benoît Claire. „Es ermöglicht uns, in Kontakt mit Kundengruppen zu kommen, die sonst keine Kreditversicherung haben.“

Das traditionelle Feld der Kreditversicherer ist die sogenannte Warenkreditversicherung. Die Anbieter verkaufen Unternehmen Policen, mit denen sich diese für den Fall absichern, dass belieferte Kunden wegen einer Insolvenz die Rechnung nicht zahlen. Die Marktdurchdringung ist gering, die Kreditversicherer zieht es in den Mittelstand, um hier neue Kunden zu gewinnen.

Auch beim Factoring geht es um offene Forderungen. Hier verkaufen Firmen ihre Außenstände an einen Händler, der am Eintreiben der Rechnungen verdient. Obwohl Factoring teuer ist, verkaufen immer mehr Unternehmen ihre Außenstände, um liquide zu bleiben. In Deutschland ist Coface mit einem Umsatz von 15,7 Mrd. Euro und einem Marktanteil von 22 Prozent die Nummer eins in diesem Feld. Vor allem kleinere und mittelständische Kunden nutzen Factoring – also genau die Zielgruppe, die auch die Kreditversicherer erreichen wollen.

Nicht alle Marktteilnehmer glauben wie Coface an die friedliche Koexistenz von Kreditversicherung und Forderungsaufkauf. „Der Factoringvertrag steht im Wettbewerb zum Kreditversicherungsvertrag“, sagt der Kölner Kreditversicherungsmakler Dirk Bedenbecker. „Das Factoring geht klar zulasten der Kreditversicherungsbranche.“ Nach den Erfahrungen des Maklers verzichten Kunden auf die Kreditversicherung, wenn sie Factoring betreiben. Da sich die Aufkäufer bei Kreditversicherern absichern, bleibt ein Teil des Risikos bei der Assekuranz. „Die Kreditversicherer fungieren als Rückversicherer“, sagt er. Das bedeutet, dass sie weniger Prämien für das gleiche Risiko bekommen. Andererseits profitieren Factoringgesellschaften und Kreditversicherer voneinander. Factoringgesellschaften brauchen einen Risikoträger. Die Kreditversicherer bekommen über das Factoring Kunden, die ohne den Verkauf der Rechnungen keine Police gekauft hätten. Generell seien die Factoringgesellschaften aber im Vorteil, sagt der Makler. „Der Factor wird eher dem Kreditversicherer Geschäft wegnehmen als umgekehrt.“

Coface gibt sich überzeugt, dass das Factoringgeschäft den Absatz der Kreditversicherung nicht kannibalisiert. „Es geht um die Kombination von Kreditversicherung und Factoring, nicht um die Alternative“, sagt Coface-Vorstand Norbert Langenbach. Der Versicherer sieht sich als Dienstleister für Forderungsmanagement und setzt auf Synergieeffekte seiner verschiedenen Geschäftsfelder. Kreditversicherer unterhalten riesige Datenbanken mit Informationen über Firmen. Bevor ein Unternehmen eine Police bekommt, prüft der Kreditversicherer, ob die belieferte Firma wirtschaftlich stabil ist. Diese Prüfung findet grundsätzlich auch beim Aufkauf von Rechnungen statt. Außerdem hat Coface eine Inkasso-Tochter, die ausstehende Forderungen eintreibt.

Klassische Factoringanbieter sind und werden für Kreditversicherer keine bedrohliche Konkurrenz, ist Thomas Hoops vom Kreditversicherungsvermittler des Makler-Marktführers Aon Jauch & Hübener überzeugt. Factoring sei ein Instrument, mit dem Firmen sich Liquidität verschafften. „Wenn den Kunden die Finanzierung nicht interessiert, ist Factoring zu teuer.“

Im ernsthaften Wettbewerb stehen die Versicherer nach seiner Einschätzung aber zu einer neuen Form des Forderungsaufkaufs, dem Fälligkeitsfactoring. Bei diesen Verträgen bekommt der Kunde Geld vom Anbieter, wenn der Belieferte die Rechnung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht gezahlt hat. Coface greift mit diesen Verträgen die Bestände der Konkurrenten aggressiv an, sagt der Makler. Für Firmen, die nur eine schlichte Kreditversicherung hätten, seien die Verträge eine Alternative. Das Fälligkeitsfactoring ist zwar teurer, aber der Kunde muss im Schadenfall anders als bei der regulären Kreditversicherung keinen Eigenanteil tragen.

Das Fälligkeitsfactoring könnte der Vorreiter einer neuen Generation von Verträgen sein. „In Zukunft werden die Grenzen zwischen Kreditversicherung und Factoring verschwimmen“, erwartet Carlo Ries vom Kreditversicherungsmakler Südvers. Kreditversicherer hätten auf das Fälligkeitsfactoring bereits mit sinkenden Selbstbehalten reagiert. „Wenn sich das Fälligkeitsfactoring durchsetzt, würde es eine echte Konkurrenz zur Kreditversicherung darstellen“, ist auch er überzeugt.

Der Kreditversicherungsmakler vermittelt auch Factoringverträge. Mit den Coface-Konkurrenten kommt er dabei nicht ins Geschäft, sie haben diesen Bereich aufgegeben. Atradius etwa hat das Factoringgeschäft vor zwei Jahren an den Finanzdienstleister Fortis verkauft. Allerdings bedient der Versicherer weiter die Nachfrage nach Rechnungsverkauf und vermittelt Verträge an Fortis. Um selbst Factoring zu betreiben, brauchen Anbieter direkten Zugang zu Liquidität, sagt der stellvertretende Vorstandschef von Atradius Peter Ingenlath. „Das hatten wir nicht.“ Die meisten Factoringgesellschaften sind im Besitz von Banken, die für genug Mittel sorgen können – Coface gehört über die französische Muttergesellschaft zur Bank Natixis. Rechnungskäufer betrachtet Ingenlath nicht als Konkurrenz: „Das Geschäft kommt über die Factoringgesellschaften zu uns zurück.“

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Das Zielspringen (o.) ist eine eigene Diszplin. Indem der Springer an den Steuerleinen seines Schirms zieht, drosselt er das Tempo so weit, dass ihm eine stehende Landung gelingt. Am Ende gilt es, den Schirm wieder zusammenzufalten. Je nach Können des Springers sind die Schirme zwischen 8 und 26 Quadratmeter groß – f1online/Horizon/Thomas Willemsen

Quelle: Financial Times Deutschland

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