Wettlauf um die Stapelplätze

Die Prognosen sind atemberaubend: Bis 2025 soll sich der Güterumschlag in den Häfen mehr als verdoppeln. Fast alle großen Küstenstädte planen daher neue Terminals. Anwohner und Umweltschützer leisten Widerstand

Noch haben wir keine Engpässe“, sagt Detthold Aden, Chef des Bremer Logistikers BLG und Präsident des Zentralverbands der deutschen Seehafenbetriebe. „Aber Schiffe lassen sich schneller bauen als Terminals.“

Eine im Frühjahr veröffentlichte Prognose im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums kommt zu dem Schluss, dass die Häfen an Nord- und Ostsee 2025 eine Gütermenge von 759 Millionen Tonnen bewältigen müssen. Für das laufende Jahr werden 322 Millionen Tonnen erwartet. Besonders stark wird der Zuwachs im Containerverkehr sein. Hier gilt die Faustregel: Ein Prozent Wachstum in der weltweiten Produktion führt zu drei Prozent mehr Containertransporten, erklärt Aden. Ein Ende dieser Entwicklung sei nicht abzusehen: „Der Globalisierungsprozess steckt noch in den Kinderschuhen.“

Die aktuelle Seeverkehrsprognose geht davon aus, dass Hamburg in den nächsten Jahren Rotterdam als größten europäischen Containerhafen ablösen wird, auch wenn der niederländische Hafen im Gesamtumschlag weiter vorn bleibt.

Das starke Wachstum an der Elbe liegt vor allem an den Wirtschaftsbeziehungen zum Ostseeraum, erklärt Georg-Dietrich Jansen, Geschäftsführer von Planco Consulting. Das Unternehmen hat die Studie verfasst. „Der Außenhandel der Ostseeanrainer, vor allem Russlands, steigt sehr stark, und davon profitiert insbesondere Hamburg durch seine Lage.“ Die großen Seeschiffe, die in den internationalen Verkehren fahren, haben in Hamburg ihre letzte Station in Europa, bevor sie nach Asien oder Amerika zurückkehren. Von hier fahren kleinere Schiffe, sogenannte Feeder, dann in die Ostsee und nach Skandinavien.

Bei Prognosen, die fast 20 Jahre in die Zukunft blicken, gebe es natürlich „gewisse Ungenauigkeiten“, erklärt Jansen. Solche Vorhersagen seien für die Planung neuer Infrastrukturprojekte mit ihren langen Vorlaufzeiten aber nötig. Der Unternehmensverband Hafen Hamburg klagte kürzlich über Planungszeiträume bis zu 30 Jahren.

In der Vergangenheit waren die Prognosen der Wirtschaftsforscher zum Seegüterumschlag oft zu niedrig und wurden schnell von der Realität überholt. Das sei aber nicht Schuld der Forscher, sagt Jansen, sondern habe an falschen Vorgaben zur wirtschaftlichen Entwicklung Osteuropas gelegen. Das Wachstumstempo werde sich aber wieder verlangsamen, erwartet er. „Wir gehen nicht davon aus, dass es kontinuierlich so wächst wie derzeit.“

Bis 2012 sollen 12 Mrd. Euro an Investitionen in die Seehäfen fließen, dazu haben sich die öffentliche Hand und die privaten Hafenunternehmen verpflichtet. „Dann kommen wir mit den Kapazitäten zurecht“, meint Aden. Unter anderem fördert die Bundesregierung 15 Projekte zur Hinterlandanbindung der Häfen. Denn nicht nur an den Terminals selbst wird es eng, sondern auch auf Schiene und Straße.

In Hamburg sind die Vorbereitungen für den Bau eines weiteren Containerterminals angelaufen. Bremerhaven hat die letzte mögliche Ausbaustufe erreicht, der Hafen wird 2010 an die Grenzen des Wachstums stoßen. Deshalb soll in Wilhelmshaven ein neuer Terminal entstehen. Das Projekt Jade-Weser-Port ist derzeit noch Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Dennoch rechnet Detthold Aden mit einer Aufnahme des Betriebs spätestens Anfang 2011. Die BLG-Tochter Eurogate wird Betreiber dieses Terminals, gemeinsam mit APM Terminals, einem Schwesterunternehmen der weltgrößten Container-Reederei Maersk Line.

Dank der Wassertiefe an der Kaimauer in Wilhelmshaven können auch die größten Schiffe voll beladen den Jade-Weser-Port erreichen. In Hamburg und Bremerhaven gibt es dagegen Restriktionen. Deshalb wollen diese Häfen ihre Zufahrtswege, Elbe und Weser, weiter vertiefen. Dagegen gibt es nicht nur von Anwohnern Protest, die um die Sicherheit der Deiche fürchten. Auch die Umweltorganisation WWF lehnt die Vertiefung ab.

„Wir sagen, dass ein Standort für die allergrößten Schiffe reicht“, sagt Beatrice Claus, Referentin für Naturschutz und Raumplanung beim WWF. Das sei nicht nur im Sinne des Umweltschutzes. Das Ausbuddeln der Fahrrinne müsse schließlich von der öffentlichen Hand bezahlt werden. „Und die Reeder fahren auf Kosten der Steuerzahler satte Gewinne ein.“ Auch der WWF verweist auf die Wachstumsprognosen für den Seetransport. Deshalb würden auch in Zukunft alle Kapazitäten an der Küste gebraucht. Hamburg und Bremerhaven müssten nicht fürchten, Volumen zu verlieren, selbst wenn die größten Schiffe nicht voll beladen dorthin kämen.

Nirgendwo sonst auf der Welt gebe es eine solche Dichte an Seehäfen wie an der deutschen Nordseeküste, sagt Claus. Eine Koordinierung sei deshalb unerlässlich. Detthold Aden glaubt allerdings, dass die Transportunternehmen sich nicht entsprechend dem Tiefgang vorschreiben lassen wollen, wo sie ihre Waren umschlagen. „Das werden die Reeder nicht mitmachen.“

Zitat:

“ „Reeder fahren auf Kosten der Steuerzahler Gewinne ein“ “ – Beatrice Claus, WWF –

Bild(er):

Containerterminal in Hamburg. An der Brücke werden die Container zum Weitertransport an Land gehoben – Dominik Reipka

Katrin Berkenkopf

Quelle: Financial Times Deutschland

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