Der Kapitalmarkt übernimmt Risiken und wird damit zum Konkurrenten der Rückversicherer. Aber die sind klug genug, daraus selbst ein Geschäft zu machen
VON Herbert Fromme und Patrick Hagen Die Flutkatastrophe in England im Sommer kostet die Versicherungswirtschaft nach Schätzungen der Ratingagentur Fitch mehr als 3 Mrd. £. Nicht zur Kasse gebeten werden die Investoren einer Anleihe über 150 Mio. Euro, mit der sich die Allianz unter anderem gegen Größtschäden aus Überflutungen in Großbritannien abgesichert hatte. Die Flut war nicht stark genug – die Werte blieben unter dem Schwellenwert oder Trigger, ab dem Anleger Geld verloren hätten. Der Rückversicherungs-Weltmarktführer Swiss Re hatte die Katastrophenanleihe für die Allianz arrangiert. Die Gesellschaft ist auch in diesem Feld führend. Für Swiss-Re-Chef Jacques Aigrain ist das Verpacken, Aufteilen und Handeln von Risiken künftig ebenso wichtig wie die direkte Übernahme.
Katastrophenanleihen gibt es schon seit den 90er-Jahren. Heute werden nicht nur Belastungen durch Stürme, Erdbeben oder Überflutungen verbrieft. Auch Sterblichkeits- oder Kfz-Risiken lassen sich in Anleihen verpacken und an den Kapitalmarkt geben. Der Markt boomt. Nach Zahlen der Swiss Re betrug das Volumen ausstehender Versicherungsverbriefungen oder Insurance Linked Securities (ILS) Mitte dieses Jahres bereits 30 Mrd. $. Zum Vergleich: Ende 2006 waren es 25 Mrd. $ und ein Jahr zuvor erst 17 Mrd. $.
Die Rückversicherer erhoffen sich von ILS eine Reduzierung der Ergebnisschwankungen, die sie bei Anlegern unbeliebt machen. Aber nicht alle sind gleich stark in dem Markt aktiv. Während die Swiss Re seit Jahren vorneweg läuft, ist Rivale Münchener Rück erst spät eingestiegen.
Die Verbriefung von Versicherungsrisiken funktioniert immer nach demselben Prinzip: Eine für eine einzige Transaktion gegründete Zweckgesellschaft auf Bermuda oder den Kaimaninseln gewährt einem Versicherer oder Rückversicherer gegen eine Prämie eine zeitlich begrenzte Schutzdeckung für ein genau definiertes Großrisiko – eine Flut mit bestimmten Pegelständen, einen Hurrikan mit der Windstärke X oder einer Sterblichkeitsrate mit Y Prozent über dem normalen Wert, etwa wegen einer Epidemie.
Die Zweckgesellschaft gibt eine Anleihe heraus, deren Zinssatz deutlich über dem Marktzins liegt. Anleger zeichnen. Das durch die Anleihe eingenommene Geld legt die Zweckgesellschaft in Papiere mit höchster Sicherheit an. Die Zinsen an die Anleger zahlt sie aus ihren eigenen Zinseinnahmen und der Prämie des Versicherers oder Rückversicherers.
Kommt es während der Laufzeit des Vertrags nicht zu dem definierten Großschaden, wird die Gesellschaft liquidiert und die Anleihe an die Anleger zurückgezahlt. Tritt aber das vorher definierte Ereignis ein, verlieren die Anleger Geld.
Ein Problem ist häufig die Feststellung, ob der Schaden eingetreten ist. Bereits Anfang des Jahres, kurz nachdem der Wintersturm „Kyrill“ große Teile Europas verwüstet hatte, hatte die Swiss Re die Einrichtung einer unabhängigen Agentur für die Sammlung von Schäden nach US-Vorbild vorgeschlagen. Sie soll einen Marktschadenindex für Naturkatastrophen erstellen. In den USA macht das die Agentur Property Claims Services. Bisher haben die Versicherer bei Verbriefungen das Problem, dass der Trigger nicht unbedingt der Höhe des Schadens entspricht. Trotz geringer Windstärke können Schäden hoch ausfallen, wenn die betroffene Fläche sehr groß ist und es deshalb viele kleine und mittlere Schäden gibt. Die Versicherer würden lieber Auslöser verwenden, die auf Schadensummen basieren, haben aber das Problem, dass Anleger hier wenig Vertrauen haben – falls die Daten nur vom betroffenen Versicherer kommen. Das will die Swiss Re mit einer unabhängigen Agentur ändern.
Die Schweizer erwarten, dass das Volumen von Verbriefungen weiter wachsen wird, und treiben diese Entwicklung kräftig voran. Swiss-Re-Vorstandsmitglied Roger Ferguson glaubt, dass es in der Assekuranz eine den Banken vergleichbare Entwicklung geben wird. „In der Versicherungswirtschaft kommt es zu einer ähnlichen Verflechtung mit den Kapitalmärkten.“ Früher haben Banken Hypotheken oder andere Darlehen vergeben und selbst in den Büchern behalten. „Sie begannen dann damit, Hypotheken zu verbriefen, Autodarlehen und Kreditkartenaußenstände folgten“, sagt Ferguson. Danach beteiligten die Banken den Kapitalmarkt mit verschiedenen Instrumenten an ihren Kreditrisiken. „Die Verbriefung hat bei den Banken zu einer deutlichen Stärkung der Eigenkapitalsituation geführt“, sagt Ferguson. Für die Versicherer erwartet er eine ähnliche Entwicklung. Die Verbriefung wird die traditionelle Rückversicherung nicht ersetzen, glaubt er. „Beides wird es geben“, sagt Ferguson. Banken behielten auch Hypotheken weiterhin in den Büchern.
Klar ist aber schon jetzt, dass Verbriefungen zu einer Bedrohung des traditionellen Geschäftsmodells der Rückversicherer werden können. Vier der fünf größten Arrangeure von ILS sind Investmentbanken. Unklar ist dabei aber, wie Anleger auf hohe Verluste reagieren werden. Bisher ist mit Kamp Re nach dem Hurrikan „Katrina“ erst ein Bond ausgefallen.
Quelle: Financial Times Deutschland
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