Bermuda gilt als Zentrum der Rückversicherung. Die Gesellschaften von der Atlantikinsel suchen mehr europäische Kunden und gehen deshalb in die Schweiz dsfgsd fs
VON Herbert Fromme Die erste Ansiedlung galt noch als Einzelfall. 1998 schlug der Bermuda-Versicherer Partner Re seine Zelte in Zürich auf. Nach fünf Jahren wurde daraus eine Welle. 2003 folgte Axis Re, 2004 Ace Re, 2006 Arch Re und 2007 Aspen Re. Montpelier Re ließ sich 2007 im Kanton Zug nieder, ebenso wie Paris Re, die frühere Axa Re. Und schon 2004 wurde Glacier Re ins Leben gerufen. Die Schweizer Neugründung mit US-Kapital sitzt in Pfäffikon im Kanton Schwyz, 36 Kilometer von Zürich entfernt.
Zürich ist die größte Stadt der Schweiz, zusammen mit dem Umland zählt sie eine Million Einwohner. Jetzt hat Zürich die Metropole London abgelöst und ist der wichtigste Standort, von dem aus international agierende Rückversicherer Deutschland und andere kontinentaleuropäischen Märkte erobern wollen.
Offenbar kaufen deutsche, französische oder italienische Versicherer ihre Rückdeckungen lieber an der Limmat als an der Themse. „Der Standort ist neutral und hat die beste Lage im Herzen Europas“, sagt Karl Mayr, Europachef der Axis Re. Er nennt die Anwesenheit von Swiss Re und Scor als wichtige Vorteile – sie machen die Schweiz zum führenden Rückversicherungsplatz und sorgen dafür, dass es gute Fachkräfte gibt. Die exzellente Infrastruktur komme hinzu, so Mayr. Auch Besteuerung und wirtschaftsfreundliche Gesetzgebung lobt der frühere Vorstand der GE Frankona. Allerdings habe die Schweiz auch ein hohes Lohnniveau.
„In der Schweiz sind die regulatorischen und steuerlichen Rahmenbedingungen für die Rückversicherung ausgezeichnet“, freut sich Scor-Chef Denis Kessler. Seine Gesellschaft hat gerade den Züricher Konkurrenten Converium in einer zunächst unwillkommenen Aktion übernommen und Befürchtungen ausgelöst, Scor wolle den Standort schwächen. Kessler bestreitet das. „Der Standort Zürich spielt für uns eine sehr wichtige Rolle“, sagt er.
Seit 2006 beherbergt die Stadt auch den Weltmarktführer in der Rückversicherung. Damals übernahm Swiss Re die US-Gesellschaft GE Insurance Solutions und überholte damit die Münchener Rück an der Spitze der Branche. Auch Swiss-Re-Chef Jacques Aigrain findet den Standort gut – er kennt aber auch die Probleme, die der Status als Nichtmitglied der EU bringt.
So hat Swiss Re gerade eine neue Rückversicherungsgesellschaft in Luxemburg gegründet. Auf sie sollen die Töchter in München und London fusioniert werden, dort gibt es dann nur noch Niederlassungen. Die Folge: Swiss Re spart Eigenkapital für das Geschäft in der EU. In der Schweiz konnte Swiss Re eine solche EU-Gesellschaft nicht errichten.
Der Erfolg des Standorts zeigt sich in der Mischung aus traditionellen Anbietern und Bermuda-Kapazität. Die zu Großbritannien gehörende Atlantikinsel hat als internationaler Rückversicherungsstandort in den vergangenen sieben Jahren gewaltig zugelegt. Ihr Marktanteil hat sich nach Berechnungen der Swiss Re von vier Prozent auf 17 Prozent mehr als vervierfacht. Axis-Europachef Karl Mayr geht sogar von 21 Prozent Bermuda-Anteil am Weltmarkt im Jahr 2006 aus. Zum Vergleich: Europa kommt einschließlich London auf 49 Prozent, Nordamerika auf 14 Prozent und der Rest der Welt auf 16 Prozent.
Bermuda-Gesellschaften sind in mehreren Wellen als Antwort auf konkrete Deckungsprobleme entstanden. In den 80er-Jahren entzogen US-Versicherer der Industrie die Haftpflichtversicherung oder verteuerten sie absurd, eine Reaktion auf die Asbestkrise. In der Folge gründeten 1986 insgesamt 68 Industriekonzerne die Exel Limited im steuergünstigen Bermuda. Heute ist das Unternehmen als XL Capital einer der führenden Industrie- und Rückversicherer der Welt. Nach dem Wirbelsturm „Andrew“, nach dem 11. September 2001 und nach „Katrina“ investierten US-Anleger hohe Summen, um mit dem gestiegenen Bedarf an Versicherungsschutz ein gutes Geschäft zu machen.
Oft zielten die Neugründungen vor allem auf US-Katastrophendeckungen. Aber inzwischen ist ihnen das zu wenig. Um einen Ausgleich für die volatilen US-Sturmverträge zu gewinnen, suchen sie vor allem Geschäft in Europa. Nach einigen Irrfahrten mussten sie erkennen, dass London zwar global ein wichtiger Standort ist und engste Beziehungen zu Bermuda unterhält, aber aus Sicht vieler europäischer Kunden sehr weit entfernt scheint.
„Eine Präsenz auf dem Kontinent ist unumgänglich, wenn man über die Sparten hinweg diversifizieren will“, sagt Axis-Re-Manager Mayr. Nicht alle Bermuda-Gesellschaften sind dieser Ansicht: Endurance beispielsweise bearbeitet ganz Europa weiter von London aus. Ob Zürich oder London: Lange wurden die Bermuda-Anbieter in Europa misstrauisch beäugt. Allzu kurzfristig denke man dort, langjährige Partnerschaften zwischen Rück- und Erstversicherern seien unbekannt, hieß es.
Inzwischen werden die Anbieter von der Atlantikinsel willkommen geheißen. Sie haben sich etabliert, europäisches Spitzenpersonal angeheuert, sich an hiesige Vertragsgewohnheiten angepasst. Am wichtigsten: Sie bieten Kapazität und sorgen für einen Wettbewerb, der die Gefahr eines Oligopols der Spitzenanbieter Swiss Re, Münchener Rück und Hannover Rück mindert.
Bild(er):
Zürich hat sich zum wichtigen Zentrum für Rückversicherer entwickelt. Auf dem Bild ist das rot-weiße Landesbanner der Schweiz zwischen den blau-weißen Flaggen des Kantons Zürich vor dem Großmünster in der Innenstadt zu sehen – Images.de/Travelstock44/Katja Herold
Quelle: Financial Times Deutschland
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